Dienstag, 18. Februar 2014

Sonntag, 16.2. ... von Brasilien nach Berlin, mit Bildern in die Welt und Sprache von Noam Chomsky, langsam durch Marseille, Grausamkeiten in Indien und in Griechenland

Inside Berlinale Palast by Lilly Flowers
Brasilien/Fortalezza - Deutschland/Berlin
   Heute waren wir in unserem einzigen Wettbewerbsbeitrag und dadurch im Berlinale-Palast. Die Sitze sind ja nicht die bequemsten, dafür bietet der Saal viel Luft. Diese Weite nutzt die brasilianisch-deutsche Produktion Praia do futuro (Strand der Zukunft) zu Filmbeginn für stillstehende Windräder und eine rasante Motorradfahrt über brasilianische Dünen auf elektronischer Musik. Später entschleunigt sich der Inhalt durch eine erstaunliche Anzahl an Duschvorgängen und nackten Männern. Das stimmt nicht ganz, so viele nackte Männer waren es ja nicht, nur zwei. Insgesamt kommt der Film mit erstaunlich wenigen Darstellern aus und davon können wir uns nur an einmal Frau erinnern, die als Mutter eines Sohnes gezeigt wurde. Gegen Ende der Erzählung spielt eine andere Mutter eine kleine Rolle, aber nicht im wörtlichen Sinne. Da wir den älteren Wagner Moura mal nackig sehen wollten, kamen wir trotz der betrüblichen Familien- und Beziehungsgeschichte auf unsere Kosten. Schade, dass wir nicht dabei waren, als er hier im trüben Berlin gedreht hat. Wir stimmen jedoch mit der Frage seines Filmbruders überein, warum er denn das immer sommerliche Fortalezza, das Malle von Brasilien, gegen dieses Berlin, das ja fast am Nordpol läge, eingetauscht habe? Vielleicht, weil viele BerlinerInnen nicht so homophob sind, wie viele Teile der Restweltbevölkerung.

USA bzw. die ganze Welt

    Der Autor des nächsten Films erzählt uns gleich zu Beginn seinen persönlichen Grund für dessen Entstehung. Er will Noam Chomsky erfahren, und vielleicht auch verstehen, bevor der heute 84-Jährige Sprachwissenschaftler und politische Aktivist nicht mehr unter uns weilen würde. Um sich der komplexen Wirklichkeit des Linguisten zu nähern, setzt er die gemeinsamen Gespräche tricktechnisch um. Immer in liebevoller Zuwendung zu seinem Gesprächspartner nimmt der Regisseur Michel Gondry unverstandene Fäden beim nächsten Gespräch wieder auf. Bildlich verarbeitet werden uns diese Fäden und Verknüpfungen samt ihren Windungen vorgeführt, schlängeln sich um Köpfe und aus dem Blick. Is the Man Who is Tall Happy?  ist nicht nur der Titel des Films, sondern ein Beispiel Chomskys für die Umstellung des Satzes „The Man Who is Tall is Happy“. Er macht uns darauf aufmerksam, dass es erstaunlich und unökonomisch sei, dass das zweite „is“ an den Satzanfang wandert - vielleicht ein Beispiel für die Chomsky-Hierarchie für formale Sprachen aus der Theoretischen Informatik, aber vielleicht auch nicht. Doch wahrscheinlich haben wir es einfach nicht ganz verstanden und werden uns diesen kurzweiligen Film irgendwann nochmal anschauen.

Entschleunigte Kunst in Marseille

    Fast als ob wir es geahnt hätten, läst uns das langsame Ratespiel „Wo ist der Mönch“ unseres dritten Films Xi You | Journey to the West des Regisseurs Tsai Mingliang wieder von den wackelnden Bildern Gondrys entspannen. Wenn es nicht im Panorama Special gelaufen wäre, mit Betonung auf „Special“, hätten wir diese Form der Entschleunigung eher in der Meditationsabteilung eines DVD-Shops gesucht. Vielleicht konnten die Buddhistinnen unter uns mehr damit anfangen. Wir sind etwas verwundert über diese Auswahl und hatten uns nach der Filmbeschreibung anderes erwartet, doch Kunst liegt im Auge des Betrachters.

Indien - doch dort darf der Film nicht gezeigt werden

    Der nächste Filmtitel trägt diese Religion mit Papilio Buddha im Namen und hat doch nichts damit zu tun. Es ist der Name eines endemisch in den indischen Western Ghats (Gebirge in Süd-West-Indien) vorkommenden Schmetterlings. Der Regisseur Jayan Cherian erklärt uns im Q&A, dass sie dem Film diesen Tarnnamen geben mussten, um überhaupt eine Drehgenehmigung zu bekommen. Der kritische Inhalt rief dann jedoch alle Stufen der Zensurbehörde der indischen Demokratie auf den Plan. Über fünfzig Änderungsvorgaben wurden den Machern vorgesetzt, ohne die sie den Film in Indien nicht zeigen dürfen. Sogar eine private Aufführung wurde von Polizisten vereitelt. Unverändert wird nun der Film außerhalb Indiens auf Festivals aufgeführt. Er zeigt eine Seite Indiens, die wir seit den Berichten zu Massenvergewaltigungen kennen. Im Film wird dies auch gezeigt, so wie die aus dem Kastensystem und dem Patriarchat herangezogenen Begründungen. Was Polizisten einem Unberührbaren mit einem mit Chilli gefüllten Kondom antun, können wir uns, trotz der realistischen, auf Tatsachen beruhenden, Darstellung, nur schwer vorstellen. Bezug nimmt der Film auf die Dalit, eine gängige Bezeichnung der Nachfahren der indischen Ureinwohner, auch Unberührbare genannt, die mit ca. 240 Millionen fast ein Viertel der indischen Bevölkerung ausmachen. Sie leiden unter einer massiven Diskriminierung, die der Film aufgreift und durch seine Verbreitung dagegen wirken will.

Griechenland, arm dran

   Unser letzter Film der diesjährigen Berlinale brachte uns in ein verarmtes Griechenland mit einer brutalen Männerwelt. Da der Film Na kathese ke na kitas | Standing Aside, Watching hier wohl nie laufen wird, nun unsere Kritik am Ende: Wieso darf die Frau, die durch den ganzen Film tapfer und mutig um sich geschlagen hat, ihre potentiellen Vergewaltiger nicht erschießen? Warum muss dazu ihr Ex-Freund auftauchen? Ein Dorf, irgendwo in Griechenland, die Leute kennen sich und Antigoni kehrt aus Athen dahin zurück. Sie nimmt sich einen jüngeren Freund, der dafür gehänselt wird und dies nur teilweise an sich abprallen lässt. Ihre Freundin kann sie nicht davon abbringen, sich mit dem einflussreichen Nondas zu treffen, der sie zum Sex auch immer noch erniedrigt und verprügelt. Der Film zeigt, wie Menschen aus ihrem kargen Leben heraus keinen respektvollen Umgang miteinander finden. Was hörten wir über die diesjährige Berlinale? Es gäbe nur Filme mit Problemen, aber keinen Lösungen ...

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