Sonntag, 14. Februar 2016

Mäntel, Zigaretten und kaum Kondome

   Freitagabend saßen wir mal wieder im Kino. Da bereits viele CineastInnen sich im hinteren Teil des Saals verteilt hatten, mussten wir uns einen Platz am Anfang des ersten Drittels suchen. Kinositze sind ja so etwas wie Nah- und Fernverkehrssitze. Mensch darf freundlich, doch bestimmt, nachfragen, ob der Platz noch frei ist, der mit Koffern, Taschen und Mänteln belegt ist. So nahmen wir den Taschenplatz eines schon etwas angegrauten Päarchens ein, die uns dann zuflüsterten, dass sie ihre Mäntel in der ersten Reihe geparkt hatten. Da immer mehr Menschen kamen und bereits ein paar in der ersten Reihe saßen, wurden ihre Hälse immer länger. Und sie wurden immer nervöser. Dann schickte die Frau den Mann los, und er versprach, und machte auf uns dabei den Eindruck von Napoleon kurz vor dem Gang aufs Schlachtfeld, sich eine kreative Lösung einfallen zu lassen. Unsere Mäntel lagen wie kuschlige Decken über unseren Knien, wir waren etwas irritiert über ihre Mantelinszenierung. Deshalb bekamen wir jetzt lange Hälse, um einen Blick auf diese besonderen Überzieher zu erhaschen. Er legte sie gerade auf das schwarze Regal neben der Leinwald, als wir sie erkennen konnten. Außen gegerbtes Leder und ihnen dickes Fell, hätten diese Tierreste bestimmt ganz schön auf die Beine gedrückt. Was uns dann tatsächlich erstaunte, war, dass sie es ertrugen, dass ihre kostbaren Mäntel kurze Zeit später neben dem Mischpult der Kinoansagerin ihre Schlussposition für diese Filmvorführung erhielten.
   Der Film, der dieser Mantelgeschichte folgte, Posto avancado do progresso, ist die Auseinandersetzung des Regisseurs Hugo Vieira da Silva und seiner SchauspielerInnen aus Portugal und Angola mit ihrer kolonialen Vergangenheit. In eine fortlaufende Erzählstruktur eingebaut und dennoch assoziativ gefüllt, ist dieser Film mit seinen zwei Stunden Länge keineswegs langatmig. In diesen zwei Stunden wird viel geraucht und viel getrunken. Wir sahen auch viele weitere Filme, in denen erstaunlich exzessiv geraucht wurde. Ob deshalb so viele Filme wieder im letzten Jahrtausend spielen, denn da gab es keine Coolness (ein erstaunlich wichtiges Filmdetail) ohne Zigarette. 
   Doch wo kommt sie heute her, die Coolness? Da hätten wir einen Filmtipp dazu Junction 48, wobei, auch da wird geraucht, aber anders ... aber der Hinweis auf diesen tollen Film muss sein, zusätzlich besonders zu empfehlen für HipHopFans. 
   Jetzt fehlen uns noch die Kondome. Die fehlten uns aber auch in den Filmen mit Koitus, egal welcher Geschlechtlichkeiten. HIV war zwar manchmal ein Thema, doch vielleicht haben wir einen medizinischen Fortschritt verpasst und Kondome haben damit nichts mehr zu tun. Gibts denn nicht noch weitere Gründe für die Gummis? In einem Film, Baden Baden, in dem uns das Frauenbild gar nicht gefiel, gefiel uns jedoch, dass hier mal ein Mann ansprach, dass er doch eins übergezogen hatte. Der andere Coole hatte nicht und deshalb war sie schwanger...doch davon hat er nie erfahren, was ja auch die logische Konsequenz daraus ist.

Samstag, 13. Februar 2016

Der Film der FilmemacherInnen

  Ein Film ist ein Film der FilmemacherInnen, dass wird uns manchmal schmerzhaft klar, wenn wir wieder mal so im Kino sitzen und überlegen: was sollte uns das jetzt sagen. Die Antwort ist dann schon auch mal: das ist uns jetzt egal. Und wenn dann so ein Egal-Filmchen auf versteckte Emotionen von uns trifft, hat das auch seinen Reiz.
    Aber es gibt ja gerade auf der Berlinale auch die Filme, die als politische Botschaft und Informationsquelle gedacht sind und mit künstlerischen und kulturellen Ausdrucksformen zusammengeleimt werden. Dieses Statement gelingt in seiner Ausführung dann auch nicht immer. Manche FilmemacherInnen sind aber auch überrascht über die vielschichtigen Interpretationen, die so ein Publikum bei der anschließenden Filmdiskussion zustande bringt. Da fliegt dann auf, dass bei manchen KünsterlInnen noch die krude Idee von Neutralität beliebt ist und wenn sie könnten, würden sie dem Publikum verbieten, soviel herauszuinterpretieren. 
   In die bewußt inhaltliche Richtung geht der 31. Friedensfilmpreis, der am 21. Februar verliehen wird. Letzes Jahr erhielt ihn eine der herausragensten Dokumentationen: The Look of Silence. Wer diesem nachfolgen wird, entscheidet eine 7er-Jury. Die Berlinale ist übrigens das einzige A-Festival, das so einen bemerkenswerten Preis vergibt.
   Apropo krude Ideen. Davon gibt es Umsetzungen, die schon lange das Außendesign in den Straßen um die Berlinale-Kinos am Potsdamper Platz säumen. Oben auf dem Foto etwas verfremdet, ein Beispiel dieser 80er Jahre Lichtentwürfe, die über die Weihnachtszeit bis zur Berlinale die Bäume belästigen. Ob der Osterhase auch damit klarkommen muss, wissen wir nicht.

Donnerstag, 11. Februar 2016

Wenn die Berlinale beginnt...

...beginnt sie ja eigentlich noch nicht wirklich, denn heute laufen nur zwei Filme, der Eröffnungsfilm Hail Cesar! und das Panorama-Doku Ja, Olga Hepnarova. Doch wer will, kann ja den roten Teppich entlangwinken. Hier auf dem roten Foto nicht wirklich erkennbar, denn gestern, als wir das Bild machten, war die Meterware noch nicht ausgelegt. Aber der Ort stimmt, das ist dort, wo bis August 2016 noch das Musical Hinterm Horizont läuft und dort, wo es rechts in die Spielbank Berlin geht.
  Wir fragen uns, ob die 1.754 Sitzplätze wirklich alle belegt sind. Das ist ja schon eine ganze Menge für so einen Kinofilm, der ab 18. Februar ins Kino kommt. Ein großer Vorteil bei einem Berlinale-Besuch ist natürlich dennoch, dass da nicht jemand mit stinkigem Popcorn und pappigem Süßgetränk neben einem sitzt, der gar nicht weiß (meint: keine Passion darin sieht), was ersiees da tut. 
   Doch wo wird die Berlinale 2017 denn dann stattfinden, wenn das Theater ab Sommer geschlossen ist? Da wird dafür nicht bezahlt werden, ist das nicht unser Problem und trotzdem würden wir das gern den Dieter fragen, wenn er uns mal über den Weg laufen würde. 
   Unser drängendes Problem ist gerade die fehlende Planung der nächsten Tage. Wir gestehen, wir waren etwas nachlässig und dachten, das wird schon. (Vielleicht gehts Dieter mit dem Berlinale-Palast für nächstes Jahr ja auch so.) Doch wir werden uns deshalb jetzt intensiv-intensiver ins Programm stürzen und wahrscheinlich erst Mal handschriftlich Tabellen anlegen. Ja, wir stehen dazu, wir sind manchmal altmodisch und schreiben ganz gern auch außerhalb der Computertastatur. 
   Bis dann im Dunkeln oder im Cafe beim Arsenal!

Mittwoch, 10. Februar 2016

Tongjiljeong: eingezäunt zwischen U-Bahn und Kino

   Gefühlt steht dieses grüne eckig-runde Holzgestell mit asiatischem Muster schon ewig da und bremst den Schritt, wenn man zwischen U-Bahn-Ausgang und Kino-Eingang am nördlichen Ende des Tilla-Durieux-Parks entlangeilt. 
   Doch dieser südkoreanische Pavillon-der-Einheit wurde erst im November 2015 eingeweiht und soll BesucherInnen zum Verweilen einladen. Schade, dass ein Bauzaun die Annäherung verhindert. Ob es diesem Symbol wohl so ergeht, wie dem Pamukkale Brunnen im Görlitzer Park und die Materialien des Baus, die extra aus Korea eingeflogen wurden, die Berliner Witterung nicht aushalten?
Nun, das Holzgestell auf Betonsäulen soll an zwei Staaten erinnern, die wieder zusammengefunden haben. So ein coming together wünschen sich wohl auch manche in Korea nach der nun 70 Jahre andauernden Teilung, angezettelt durch die Sowjetunion und die USA.
   Von einer Teilung anderer Art erzählt, um mal wieder auf die Berlinale zurückzukommen, die Doku Weekends über einen schwulen Männerchor in Seoul, also auch Korea. Ob die Mehrheit in Nord und Süd wohl ihre konservative heterosexuell-patriarchale Haltung in der Frage des Begehren eint?
   Auf jeden Fall ist es ein schnuffiger, liebevoller Film, der auch zeigt, wie aufgrund der sexuellen Disposition eine Politisierung erfolgen kann. Tja, da will mann eigentlich nur Sex und schwupp, schämt sich die Familie dafür und christlich Nächstenliebende verhalten sich unreligiös aggressiv. Ein weiterer schwuler Männerchor kommt in Who's Gonna Love Me Now ? vor. Da fragen wir uns langsam, wo denn die ganzen schwulen, pardon, lesbischen Frauenchöre bleiben. Aber der Berlinale-Teddy ist ja dann doch auch irgendwie, so klammheimlich, männlich codiert. Denn, wie hört sich das schon an: die Teddy oder das Teddy. Ungewöhnlich? Eigentlich war das ja noch nie das Verkehrteste, wenigstens in Berlin nicht. Deshalb fordern wir: Teddy sollte endlich zu ihrer Mehrgeschlechtlichkeit stehen dürfen!

Dienstag, 9. Februar 2016

Die Berlinale 2016 steht schon vor der Tür

..., ihr Atem beschlägt das Glas und ihre Hand hebt sich bereits Richtung Klingelknopf. 
Ja, seit Montag hätten wir schon Karten kaufen können, doch wir waren noch nicht durch mit dem großen Programm. Und da wir keine Wettbewerb-Freaks sind, müssen wir auch nicht zum frühen roten Teppichtermin, um Menschen zu betrachten, die wir sonst nur auf der Leinwand sehen.
Mal schaun, ob wir morgen noch eine Karte für Já, Olga Hepnarová bekommen, eine Doku über die 22-Jährige, die als Letzte 1975 in der Tschechoslowakei öffentlich hingerichtet wurde. Die Todesstrafe in Westdeutschland wurde 1949 abgeschafft, das letzte nicht-militärische Todesurteil in der DDR wurde 1951 vollzogen. Doch auf der Berlinale erwarten wir ja auch keine leichten Themen und die Entscheidung über die weltweit endgültige Abschaffung der Todesstrafe steht leider immer noch aus.
Auf den Samstag freuen wir uns immens, um endlich mal wieder etwas länger im Kino rumzusitzen. Denn da kommt, juhu, ein Zwölfstundenfilm. Ulrike Ottingers Chamissos Schatten startet kurz nach dem Frühstück um 10 Uhr und wird so gegen Mitternacht zum Ende kommen. Wir freuen uns auf Ottingers Erzähltalent, ihren Blick auf die Beringsee zwischen Sibirien und Alaska und die Geschichten und den Flow der Menschen, immer mitgedacht, dass da ja eine Kamera dafür rumstehen muss. Das die USA und Russland sich eine Staatengrenze teilen, kommt uns kurz dazu in den Sinn, diese beiden Nachbarn, die so wenig Gemeinsamkeiten teilen wollen (außer den Kapitalismus, oder?). 
Ein bisschen grummeln wir mit den Verantwortlichen der Filmauswahl ja schon. Jedes Jahr hoffen wir, dass es wieder mehr Filme vom afrikanischen Kontinent in dieses große Festival schaffen. Das Forum würde sich nach seinem Selbstverständnis dafür eignen, falls sie nur niederschwellig rangehen wollen. Aber nein, dieses Jahr sind es wieder weniger als letztes und das Jahr davor. Gut für die BerlinerInnen, dass es AfricAvenir gibt, die öfter mal entsprechende Filme zeigen. 
Doch jetzt hurtig: Pläne machen, Wäsche waschen und Müsliriegel einkaufen...