Sonntag, 9. Februar 2014

Samstag, 8.2. ... Herr Castanhas Leben im Süden Brasiliens und Jugendliche auf ihrem Weg in der Türkei

Haus der Kulturen der Welt
by Lilly Flowers
    Regisseur Davi Pretto glaubt nicht an den Nutzen von einer ausschließlich anwendbaren Form im Film, wie er uns im Publikumsgespräch nach der Vorführung verrät. Deshalb schuf er mit seiner ersten Arbeit, dem Porträt von Joao Carlos Castanha, einen melancholischen Lebenslauf zwischen Spielfilm und Dokumentation. Der ältere Castanha lebt zusammen mit seiner Mutter in einer kleinen Wohnung. Von diesem gemeinsamen Lebensmittelpunkt aus spielen und zeigen sie ihr Leben der Kamera. Um den Lebensunterhalt zu sichern, tritt Castanha als Transvestit auf, zwischendurch geht er seiner weniger einträglichen Leidenschaft als Schauspieler im Theater und in Filmproduktionen nach. Seine Mutter Celina besucht ihren Mann im Altersheim und kümmert sich um ihren Enkel, der als unberechenbarer Drogenabhängiger die Dramaturgie steigert. Zu Beginn stolpert und rennt der nackte Castanha mit blutbeschmiertem Körper eine dunkle, einsame Straße entlang, begleitet von tosendem Lärm der gesammelten Töne des folgenden Films. Die ruhigen Bilder der Kameraführung gestatten unserem neugierigen Blick angenehm lange, auf den durch das Leben geprägten Gesichtern und Körpern von Sohn und Mutter zu verweilen. Wir sind bei ihnen Zuhause und gehen ein Stückchen ihres Lebensweges mit. Dadurch erfahren wir auch von ihrer Vergangenheit und bleiben dann in ihrer Gegenwart stehen. Beide wirken stark und zerbrechlich und wir wohnen bei ihnen. Wie es ihnen wohl weiter ergehen mag, das würde uns schon interessieren.
    Unser zweiter Film brachte uns heute in das Leben der Jugendlichen Deniz (übersetzt: Meer). Sie ist der Mittelpunkt des Films Mavi Dalga (Die blaue Welle), der unter der Rubrik Generation 14plus auf der Berlinale läuft. Zusammen mit ihren Freundinnen kommt Deniz in die Abschlussklasse ihrer Schule. Als junge Erwachsene müssen sie nun über ihre Zukunft entscheiden. Doch es bremst sie die Gegenwart, die entstehenden Gefühlen gehen über die kindlichen Schwärmereien für Lehrer und Jungs hinaus. Ungewohnte Leidenschaft, Ideen von Zuneigung und Liebe und die Geborgenheit in der Familie, der sie doch entfliehen wollen, diese Auseinandersetzungen teilt Deniz mit ihren Freundinnen. Aus Kindern werden Jugendliche werden Erwachsene, wir haben uns in diesen Auseinandersetzungen wiedererkannt. Ist aus uns geworden, was wir erträumten, was wir fühlten? Circa dreißig MitarbeiterInnen der Filmproduktion waren angereist, um sich mit dem Publikum auf der Bühne des Haus der Kulturen der Welt zu freuen und ihren Film zu feiern.

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