Montag, 10. Februar 2014

Sonntag, 9.2. ... zwischen Stadt und Land vor der Weltwirtschaftkrise, später auf einem Festival in Californien

Cubix Cinema by Lilly Flowers

    Zuerst irritierte uns das Setting des Films aus der Rubrik Retrospektive. Dieses kleine Dorf der Bauern und Fischer mit Ochsenkarren, schweren Stiefeln, Kopftüchern und langen Röcken, kennen wir von Bildern unserer Großmutter. Doch der Film Sunrise - A Song of Two Humans | Sonnenaufgang - Lied von zwei Menschen ist eine Hollywoodproduktion aus dem Jahr 1927 von Fox Film. Und es ist der erste Film, den Friedrich Wilhelm Murnau in den USA inszenierte. Er bekam dafür drei Oscars und der Film wird auch heute noch als ein Meilenstein der Filmgeschichte gelobt. Das Drehbuch von Carl Mayer entstand nach der Erzählung Die Reise nach Tilsit von Hermann Sudermann.
    Da uns in den einleitenden Worttafeln mitgeteilt wird, dass diese Geschichte immer und überall so stattfinden könnte, erhalten die Protagonisten keine Namen. Der Mann und die Frau sind seit ein paar Jahren verheiratet und haben ein Kind. Doch nun ist er leidenschaftlich für die Frau aus der Stadt entflammt, die Urlaub im Dorf macht. Dieser Frau begehrt den Mann, deshalb möchte sie ihn mit in ihre Stadt nehmen. Er soll seinen schlecht laufenden Bauernhof verkaufen. Doch er ist ja noch verheiratet. Leider fällt den Beiden nur ein, seine Frau umzubringen, damit sie frei sind und zusammen sein können. Die blasse blonde Ehefrau erträgt die Rivalin schon längere Zeit in zurückgezogener Trauer und Demut. Dagegen steht die schwarzhaarige, geschminkte Frau aus der Stadt als aggressiver Gegenpart. Zum kleinen Roadmovie wird der Film, als die Frau erkennt, dass ihr geliebter Mann daran denkt, sie zu ermorden. Sie rennt davon, in die Stadt, voller Reue läuft er ihr hinterher. In der Stadt finden sie ihre Liebe wieder, jedoch auch ein Leben, dass ihnen fremd ist. Sie genießen es und sind doch verloren in der Anonymität der vielen vorbei hastenden Menschen. Im dramatischen dritten Teil wird die neu entfachte Liebe fast von den Naturgewalten zerstört. Die Frau aus der Stadt hat schließlich das Nachsehen, irgendwie tut sie uns aber auch leid. Sie wirkt so einsam und die Stadt, in die sie nun allein zurück kehrt, erscheint nur vordergründig als modernerer und dadurch besserer Ort. Soll uns der Film etwa sagen, dass das Landleben in seiner Kargheit erstrebenswert ist? Regionale ökologische Landwirtschaft finden wir schon gut...
    Bei unserem zweiten Film Butter on the Latch von Josephine Decker sind wir in den USA geblieben. Sehr schnell wechselten wir von einer verwirrenden Situation in New York zu einem Balkan-Folk-Festival bei Mendocino. Zwei Freundinnen schwimmen zwischen Realität und Fantasie, kommen sich näher, verlieren sich, sind wieder zusammen. Regisseurin Decker erklärte uns nach dem Film das Konzept seiner Entwicklung. Die Schauspieler setzen innerhalb des tatsächlichen Musik-Festivals ihr Spiel um. So entsteht eine Situation aus Dokumentation und Drama, in dem die Protagonisten die Geschichte mit Leben füllen. Sie orientieren sich nur an Eckpunkten der Regisseurin, es gibt kein starres Drehbuch. Damit entsteht für die Darstellung der Geschichte eine kleine Freiheit, die durch die Persönlichkeit der Darsteller gefüllt wird. Die Kameraführung unterstützt dies durch Unschärfen, die langsam zum klaren Blick führen. Eine Situation kommt ins Bild und wird nicht vorgegeben oder gesucht. Wir haben uns danach lange über die Breite von Normalität unterhalten. Herrlich irritierend war die vielfältige Interpretationsmöglichkeit des Gesehenen.

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