Dienstag, 18. Februar 2014

Sonntag, 16.2. ... von Brasilien nach Berlin, mit Bildern in die Welt und Sprache von Noam Chomsky, langsam durch Marseille, Grausamkeiten in Indien und in Griechenland

Inside Berlinale Palast by Lilly Flowers
Brasilien/Fortalezza - Deutschland/Berlin
   Heute waren wir in unserem einzigen Wettbewerbsbeitrag und dadurch im Berlinale-Palast. Die Sitze sind ja nicht die bequemsten, dafür bietet der Saal viel Luft. Diese Weite nutzt die brasilianisch-deutsche Produktion Praia do futuro (Strand der Zukunft) zu Filmbeginn für stillstehende Windräder und eine rasante Motorradfahrt über brasilianische Dünen auf elektronischer Musik. Später entschleunigt sich der Inhalt durch eine erstaunliche Anzahl an Duschvorgängen und nackten Männern. Das stimmt nicht ganz, so viele nackte Männer waren es ja nicht, nur zwei. Insgesamt kommt der Film mit erstaunlich wenigen Darstellern aus und davon können wir uns nur an einmal Frau erinnern, die als Mutter eines Sohnes gezeigt wurde. Gegen Ende der Erzählung spielt eine andere Mutter eine kleine Rolle, aber nicht im wörtlichen Sinne. Da wir den älteren Wagner Moura mal nackig sehen wollten, kamen wir trotz der betrüblichen Familien- und Beziehungsgeschichte auf unsere Kosten. Schade, dass wir nicht dabei waren, als er hier im trüben Berlin gedreht hat. Wir stimmen jedoch mit der Frage seines Filmbruders überein, warum er denn das immer sommerliche Fortalezza, das Malle von Brasilien, gegen dieses Berlin, das ja fast am Nordpol läge, eingetauscht habe? Vielleicht, weil viele BerlinerInnen nicht so homophob sind, wie viele Teile der Restweltbevölkerung.

USA bzw. die ganze Welt

    Der Autor des nächsten Films erzählt uns gleich zu Beginn seinen persönlichen Grund für dessen Entstehung. Er will Noam Chomsky erfahren, und vielleicht auch verstehen, bevor der heute 84-Jährige Sprachwissenschaftler und politische Aktivist nicht mehr unter uns weilen würde. Um sich der komplexen Wirklichkeit des Linguisten zu nähern, setzt er die gemeinsamen Gespräche tricktechnisch um. Immer in liebevoller Zuwendung zu seinem Gesprächspartner nimmt der Regisseur Michel Gondry unverstandene Fäden beim nächsten Gespräch wieder auf. Bildlich verarbeitet werden uns diese Fäden und Verknüpfungen samt ihren Windungen vorgeführt, schlängeln sich um Köpfe und aus dem Blick. Is the Man Who is Tall Happy?  ist nicht nur der Titel des Films, sondern ein Beispiel Chomskys für die Umstellung des Satzes „The Man Who is Tall is Happy“. Er macht uns darauf aufmerksam, dass es erstaunlich und unökonomisch sei, dass das zweite „is“ an den Satzanfang wandert - vielleicht ein Beispiel für die Chomsky-Hierarchie für formale Sprachen aus der Theoretischen Informatik, aber vielleicht auch nicht. Doch wahrscheinlich haben wir es einfach nicht ganz verstanden und werden uns diesen kurzweiligen Film irgendwann nochmal anschauen.

Entschleunigte Kunst in Marseille

    Fast als ob wir es geahnt hätten, läst uns das langsame Ratespiel „Wo ist der Mönch“ unseres dritten Films Xi You | Journey to the West des Regisseurs Tsai Mingliang wieder von den wackelnden Bildern Gondrys entspannen. Wenn es nicht im Panorama Special gelaufen wäre, mit Betonung auf „Special“, hätten wir diese Form der Entschleunigung eher in der Meditationsabteilung eines DVD-Shops gesucht. Vielleicht konnten die Buddhistinnen unter uns mehr damit anfangen. Wir sind etwas verwundert über diese Auswahl und hatten uns nach der Filmbeschreibung anderes erwartet, doch Kunst liegt im Auge des Betrachters.

Indien - doch dort darf der Film nicht gezeigt werden

    Der nächste Filmtitel trägt diese Religion mit Papilio Buddha im Namen und hat doch nichts damit zu tun. Es ist der Name eines endemisch in den indischen Western Ghats (Gebirge in Süd-West-Indien) vorkommenden Schmetterlings. Der Regisseur Jayan Cherian erklärt uns im Q&A, dass sie dem Film diesen Tarnnamen geben mussten, um überhaupt eine Drehgenehmigung zu bekommen. Der kritische Inhalt rief dann jedoch alle Stufen der Zensurbehörde der indischen Demokratie auf den Plan. Über fünfzig Änderungsvorgaben wurden den Machern vorgesetzt, ohne die sie den Film in Indien nicht zeigen dürfen. Sogar eine private Aufführung wurde von Polizisten vereitelt. Unverändert wird nun der Film außerhalb Indiens auf Festivals aufgeführt. Er zeigt eine Seite Indiens, die wir seit den Berichten zu Massenvergewaltigungen kennen. Im Film wird dies auch gezeigt, so wie die aus dem Kastensystem und dem Patriarchat herangezogenen Begründungen. Was Polizisten einem Unberührbaren mit einem mit Chilli gefüllten Kondom antun, können wir uns, trotz der realistischen, auf Tatsachen beruhenden, Darstellung, nur schwer vorstellen. Bezug nimmt der Film auf die Dalit, eine gängige Bezeichnung der Nachfahren der indischen Ureinwohner, auch Unberührbare genannt, die mit ca. 240 Millionen fast ein Viertel der indischen Bevölkerung ausmachen. Sie leiden unter einer massiven Diskriminierung, die der Film aufgreift und durch seine Verbreitung dagegen wirken will.

Griechenland, arm dran

   Unser letzter Film der diesjährigen Berlinale brachte uns in ein verarmtes Griechenland mit einer brutalen Männerwelt. Da der Film Na kathese ke na kitas | Standing Aside, Watching hier wohl nie laufen wird, nun unsere Kritik am Ende: Wieso darf die Frau, die durch den ganzen Film tapfer und mutig um sich geschlagen hat, ihre potentiellen Vergewaltiger nicht erschießen? Warum muss dazu ihr Ex-Freund auftauchen? Ein Dorf, irgendwo in Griechenland, die Leute kennen sich und Antigoni kehrt aus Athen dahin zurück. Sie nimmt sich einen jüngeren Freund, der dafür gehänselt wird und dies nur teilweise an sich abprallen lässt. Ihre Freundin kann sie nicht davon abbringen, sich mit dem einflussreichen Nondas zu treffen, der sie zum Sex auch immer noch erniedrigt und verprügelt. Der Film zeigt, wie Menschen aus ihrem kargen Leben heraus keinen respektvollen Umgang miteinander finden. Was hörten wir über die diesjährige Berlinale? Es gäbe nur Filme mit Problemen, aber keinen Lösungen ...

Sonntag, 16. Februar 2014

Samstag, 15.02. ... rund um die Elfenbeinküste und dann in einen isländisch anmutenden Teil der Türkei

Arsenal to Cinestar, by Lilly Flowers
Westafrika mit etwas Frankreich
    Die Erklärung für den Filmtitel N - The Madness of Reason brachte uns die Recherche zu Raymond Borremans. Er arbeitete an einer Enzyklopädie über das französische Westafrika und kam bis zum Buchstaben N, dann verstarb er. In Frankreich 1906 geboren, bereiste er als Musiker ab 1929 west- und äquatorialafrikanische Länder. Später gab er diese Tätigkeit auf und zog mit einem mobilen Kino durch das französische Westafrika. Regisseur Peter Krüger macht sich auf eine poetische Reise durch das Afrika der Gegenwart und verbindet sie mit den Fragestellungen Borremans. Wie verbindet sich die Vergangenheit mit der Gegenwart und gibt es überhaupt Möglichkeiten, dies linear als verschriftlichte Geschichte abzubilden? Mythen und Religionen wirken auf das Leben der Menschen als Individuen und Gemeinschaft ein, doch was wird Realität? Wie unausweichlich ist Vertrauen? Der Film folgt den Spuren Borremans in das heutige Leben der Elfenbeinküste, geht aber auch über diese Spuren hinaus.

Türkei im Regen
    In unserem zweiten Film, Kumun tadi | Seaburners, stellte sich die Regisseurin Melisa Önel freundlicherweise am späten Abend noch den Fragen des Publikums. Sie hatte absichtlich die raue türkische Schwarzmeerküste als Setting gewählt. Und trotzdem kamen wir uns als Zuschauer manchmal vor wie auf Island, es regnete, der Himmel war düster bewölkt und Nebel zog durch die grau-feuchte Landschaft. Zwei haben sich gefunden, jedoch leben sie ein gänzlich verschiedenes Leben. Die ältere Frau, dargestellt von der kroatischen Schauspielerin Mira Furlan, ist eine englische Akademikerin. Ihr jüngerer türkischer Liebhaber ist Kohlenausfahrer und Menschenschmuggler. Sie treffen sich an dieser düsteren Ecke am Schwarzen Meer, lieben sich, geben sich etwas und wissen nicht viel voneinander. Sie wollte zeigen, wie Hierarchien nach unten weiterwirken, sagte uns die Regisseurin. Obwohl die Verletzbarkeit der Gefühle erkennbar ist, oder vielleicht genau deshalb, wird nach unten getreten. Trotzdem bleibt der Film für uns auch eine kleine, zarte, Liebesgeschichte.

Samstag, 15. Februar 2014

Freitag, 14.2. ... arbeiten in Korea, stille Bilder der Weltarchitektur und ein Dorf in Rumänien

Inside Cinema Cubix by Lilly Flowers
Korea, Süd, am Arbeitsplatz
   Schon nach kurzer Zeit kam uns die Arbeitssituation des koreanischen Studenten Hochan in dem Film Ship bun | 10 Minutes, des Regisseurs Lee Yong-seung, bekannt vor. Als schlecht bezahlter Praktikant macht er für die gutbezahlten Festangestellten die Scheißjobs, damit diese sich ihrer Kreativität widmen können. Was dann kommt, ist uns auch bekannt: ihm wird eine Festanstellung in Aussicht gestellt, er freut sich und dann erhält jemand anderes die Stelle. Doch er hat sein Studium vernachlässigt und nun geschmissen, da Praktikanten länger arbeiten sollen als sie sollten. Auf seine Frage, ob er seinem Traumjob nachjagen soll, bei dem er besser angesehen sein wird und mehr verdienen wird, oder ob er sich jetzt gleich einpassen soll, um Geld zu verdienen und schneller eine Familie gründen zu können, erhält er keine eindeutige Antwort. Er entschied sich deshalb für den vermeintlichen Spatz in der Hand, der sich dann doch als Spatz auf dem Dach entpuppte. Ein schön anzusehender und in einem angenehmen Licht gedreher Film, die Trinkszenen und die Darstellung der Besoffenen sind großartig.

Die Welt in Gebäuden und mit Fleischstücken
    Bei unserem nächsten Film The Airstrip - Aufbruch derModerne, Teil III, hätten wir uns vorher genauer informieren sollen. Dann wären wir nicht so sehr über die studentische Atmosphäre des Treppenstufensitzens und des Handyspielens überrascht gewesen. Letzteres führte fast zu einer Schlägerei zwischen einer älteren Frau und einer jüngeren Frau. Wir hatten uns schon darauf gefreut, dass die ehrfürchtige Stimmung etwas gelockert würde, doch die junge Frau zog es leider vor, das Kino zu verlassen. Also flogen wir mit dem Film und seinem Macher, Prof. Heinz Emigholz, weiter durch die Welt, zu von Menschen gebauten und genutzten Gebäuden. Im Publikumsgespräch erklärte uns der Professor, dass er es nur glücklichen Umständen verdanke, hier zu sitzen und zwar der Entscheidung, dass die Atombombentests an Menschen in Japan und nicht in Deutschland ausgeführt wurden. Die Nerds im Publikum erklärten wir uns mit Kreidler-Fans, da er mit der Band ein Musikvideo gestaltet hat, und das erklärte uns auch die Fleischstücke, die durch einen kurzen Teil des Films flogen.

Rumänien, auf dem Land
    Ein Roma-Dorf mit wenig Infrastruktur und ungeteerten Straßen ist der Lebensmittelpunkt der Protagonisten in der Dokumentation Padurea e ca muntele, vezi? | The Forest is Like the Mountains von Christiane Schmidt und Didier Guillain. Als die beiden Regisseure im Jahr 2004 mit einem Bus durch Rumänien fuhren, befreundeten sie sich mit den Menschen aus dem Dorf und besuchten sie von da ab regelmäßig. Daraus ist diese filmische Studie über das Leben einer Gemeinschaft im Umbruch entstanden. Eine Kultur, die sich davon ernährt, was die Natur ihr schenkt und sich als Ungelernte in Jobs verdingt, hat in unserem Zeitalter keine gute Zukunftsperspektive mehr. Da führt auch die starke christlich-religiöse Orientierung nicht heraus. Im Publikumsgespräch wies auf diese ungewissen Zukunft auch der Dorfbürgermeister hin, der als 63-Jähriger seinen Posten bald einem Jüngeren übergeben wird. In welche Richtung dieser dann die Gemeinschaft führen wird, um deren Ernährung zu sichern, ist im Film schon etwas angedeutet. Junge Männer suchen sich in den Städten für eine bestimmte Zeit Arbeit und lassen ihre Frauen und Kinder im Dorf zurück. Doch ob das für die nächsten Generationen die Lösung sein wird, wird durch den vorwurfsvoll gerufenen Satz eines kleinen Mädchen zu seiner Mutter deutlich: „Nie haben Roma Geld!“

Donnerstag, 13. Februar 2014

Donnerstag, 13.2. ... in die slowakische und tschechische Republik mit Lebensgeschichten aus der Tschechoslowakei und dann zu Waisen nach Kasachstan

Entrance Cinema Arsenal by Lilly Flowers
Tschechoslowakei damals - Slowakische/Tschechische Republik heute
   Als wir heute wieder mal über den Arsenal-Eingang rüber zum Cinestar eilten und dem tollen Kaffeegeruch von den Prinzessinnengärten noch wehmütig nachschnüffelten, ahnten wir noch nicht, dass wir auf solch einen munteren und witzigen Film treffen würden. Zamatoví teroristi | Velvet Terrorists ist eine Dokumentation mit Spielfilmelementen, bei dem leider auch drei Birken dran glauben mussten. „Every tree has a timeline“ antwortete Regisseur Peter Kerekes (einer von Dreien) auf die Frage einer Zuschauerin, ob denn „nature was harmed“. Die drei porträtierten Männern saßen als Terroristen in der Tschechoslowakei mehrere Jahre im Gefängnis. Ihr heutiges Leben begleitend, erzählen und zeigen die Männer, was ihre Vergangenheit war, warum sie als Terroristen verurteilt wurden und wie dies ihre Gegenwart bestimmt. Fünf Jahre Drehzeit, bei dem der Kameramann die drei Regisseure tatkräftig unterstützte und uns diese sonnigen Bilder schenkte, sind genauso Teil des Filmsflairs, wie die Frauen um die Protagonisten. Beispielsweise unterrichtet Vladimír eine junge Frau in ungewöhnlicher Weise in Selbstverteidigung, da sie sich gegen Neo-Nazis verteidigen können will. Stano sucht eine Freundin, früher hat er bei Liebeskummer einen Baum in die Luft gejagt. Trotz der abgeklärten Ironie bleibt der Blick auf die Mitwirkenden immer liebevoll.

Kasachstan - als Waise im Patriarchat
   In unserem Spielfilm aus Kasachstan wird die Situation von Waisen thematisiert. Regisseurin Zhanna Issabayeva kam dazu über eine Zeitungsmitteilung, die darüber informierte, dass Waisen mit ihrem 18. Geburtstag das Recht bekommen, Namen und Adresse von ihrer Mutter und ihrem Vater zu erfahren. Dina Tukubayeva, die selbst als Waise aufgewachsen ist, spielt die achtzehnjährige und titelgebende Nagima erschreckend hingebungsvoll. Sie ist mit der Waisen Anya wie eine Schwester aufgewachsen, doch sonst hat den beiden das Leben nichts gegeben. Sie haben keine Papiere und kaum Geld für die Miete ihres schäbigen Zuhauses. Etwas Essen bringt Nagima durch ihren Hilfsjob in einer Küche mit heim. Als Anya an ihrer Schwangerschaft stirbt, ist Nagima ganz allein. Sich ungeliebt und trostlos einsam fühlend, will sie ihre Mutter kennenlernen, um durch sie einen Grund für ihr Leben zu bekommen. Doch ihre Mutter wirft sie raus und gibt ihr mit auf den Weg, dass sie wünschte, sie wäre tot. Nun völlig sprachlos, will sie das Baby von Anya adoptieren, damit dieses nicht als Waisenkind aufwachsen muss und sie jemand zum Lieben hat. Doch einer Frau ohne Geld, Job und Papieren wird keine Adoption erlaubt. Deshalb klaut sie das Baby und versucht sich als Mutter. Sie stellt schnell fest, dass sie nicht die Fähigkeiten dafür hat. Um dem Baby das Schicksal eines Waisenkindes zu ersparen, wirft sie es schweren Herzens in den Abgrund.
   Dies zeichnet kein angenehmes Bild von weiblichen Lebensmöglichkeiten in Kasachstan. Auf die Frage, wie es denn für Frauen in der kasachischen Filmindustrie aussehe, antwortete die Regisseurin, dass Filme machen als Männersache angesehen wird, Frauen erhalten keine Unterstützung, sondern Ignoranz. Deshalb habe sie diesen Film auch allein finanziert und in nur elf Tagen mit zwölf Laiendarstellern gedreht. Diese schwierigen Bedingungen sieht man der Qualität des Films nicht an.
   Ab  morgen gehts zum Endspurt, nur noch ein Wochenende Berlinale mit durchaus guten Filmen in dunklen Sälen und interessierten Menschen. Leider finden gegen Ende des Festivals weniger Publikumsgespräche statt, das "Herz der Berlinale" für uns.
   


Mittwoch, 12.2. ... von Australien nach Belgien, Leben in Estland und heute Abend noch von Peking nach Shanghai

Way to Berlinale Palast by Lilly Flowers
In Belgien, nach einer Kindheit in Australien
    Shay und ihr jüngerer Bruder Kaleb haben eine australische Mutter, die von Aborigines abstammt und einen belgischen Vater. Ihre unbeschwerte Kindheit verbringen sie mit der Familie in den weiten Australiens und wachsen nahe der Kultur ihrer Mutter auf. Die Mutter stirbt als Shay zehn Jahre alt ist. Daraufhin geht der Vater mit den Kindern in seine Heimat Belgien zurück. Als Naturwissenschaftler erklärt er sich Sterben und Tod rational als natürlichen Vorgang. Seinen Kindern ist diese Abgeklärtheit zu viel, sie trauern um ihre Mutter und finden diese Gefühle nicht bei ihrem Vater. Dazu kommt der schnelle Ortswechsel nach dem Tod der Mutter, der sie aus ihrem ganzen bisherigen Leben herausgerissen hat.
    Der Generationen-Film Above Us All ist nach einer wahren Geschichte erzählt und auch in seiner Machart eine halbe Dokumentation: die LaienschauspielerInnen durften die Charaktere mit ihrem eigenen Leben füllen, sie mussten sich nur an den Rahmen der Geschichte halten. Für den Dreh wurde die Kamera auf ein rechts drehendes Holzgestell montiert, dass auch die DarstellerInnen gleichmäßig mitbewegte. Die Idee dahinter war, eine gleichbleibende Zeitform zu finden, die nicht durch Zoom und Ortswechsel verwischt wird. Leider ging uns nach der Hälfte des Films dieses Drehen etwas auf den Keks, vielleicht, weil es so ungewöhnlich war. Vielleicht hätten wir es besser annehmen können, wenn sich die Regisseurin Eugenie Jansen nur für einen Effekt entschieden hätte. Sie drehte den Film aber auch noch in 3D. Uns war dieses dann etwas zu viel Handwerk, die Darstellung von unterschiedlichen Trauerkulturen hätten wir uns dagegen noch etwas intensiver gewünscht.

Coolness in Estland
    In dem estländischen Forumsfilm Free Range - Ballaad maailma heakskiitmisest ist der Beatnik James-Steve Dean-McQueen, im Film „Fred“ genannt, der Liebling aller Frauen. Freundin Marilyn, im Film die blonde Susanna, ist von ihm schwanger. Sein gut situierter zukünftiger Schwiegervater versucht es mit einem Job für ihn. Doch Freds dichterische Ader setzt sich durch und er fliegt raus. James emanzipiert sich langsam von Steve, der Trenchcoat weicht der Jeansjacke. Fred entscheidet sich bewusst dafür, mit den Händen zu arbeiten. Er will Geld verdienen, um sein Kind ernähren zu können. Doch sein Denken und Trinken kommt ihm in die Quere. Er hält es in keinem der eintönigen Jobs aus. Schlecht gelaunt und ziellos durch die Gegend streunend, entlockt ihm nur das Karussell fahren mit der unaufhörlich lächelnden Marilyn einmal selbst ein kleines Lächeln. Finstere Zeiten sind das dort, in Estland, da möchte man gleich ein Geheul anstimmen. Vielleicht hatte das auch Regisseur Veiko Öunpuu im Sinn, als er Free Range - Ballaad maailma heakskiitmisest drehte. Und über die Geschlechterbilder setzen wir ein weiteres Geheul an: die hilflos trinkende Mutter von Susanna schneidet sich die Vagina auf, weil ihr Mann fremd geht, oh je.

Mit dem Zug von Peking nach Shanghai
    Deshalb haben wir uns sehr über die emanzipiert rauchende und laut Jazz hörende Marlene Dietrich im Shanghai Express gefreut. Doch will sie mit ihrer großen Liebe nur zurück zu Küche und Herd, wie unsere Diskussionspartner behaupteten? Sie trifft im Zug von Peking nach Shanghai ihren verflossenen Geliebten wieder. Nach schönen und humorvollen Dialogen und gefährlichen Abenteuern, kommen sich die beiden erneut näher. Wer könnte ihnen diesen Wunsch verübeln im Zeitalter der romantischen Zweierbeziehung. Schön anzuschauen ist das Spiel von Frau Dietrich allemal, wie auch von Anna May Wong, als unergründbare Chinesin. Es war ein Vergnügen dem Geschehen zuzuschauen, was auch an der Kameraführung von Lee Garmes liegt, der im Jahr 1932 einen Oscar dafür erhielt.

Mittwoch, 12. Februar 2014

Dienstag, 11.2. ... zwischen kurdischen und türkischen Landschaften, kein Zuhause mehr in Singapore und die Befreiung der Konzentrationslager von den Nazis

Generation Screening by Lilly Flowers
Türkisch, Kurdisch, Weltisch
    Zusammen mit ein paar Schulklassen und einem ganzen Schwung Erwachsener waren wir heute früh in dem kurdisch-türkischen Generationen-Film Were Dengê Min | Folge meiner Stimme. Gewaltige Landschaftsbilder genießen wir in diesem besonderen Roadmovie, durch den eine Großmutter zu Fuß mit ihrer Enkelin zieht. Sie versuchen vieles, um an ein Gewehr zu kommen. Denn der Vater und Sohn wurde zusammen mit den anderen Männern aus dem Dorf ins Gefängnis geworfen. Sie werden nur gegen die Aushändigung der versteckten Gewehre wieder frei gelassen. Oma gräbt das alte Gewehr ihres Vaters aus, doch die Soldaten lachen sie aus und schicken sie gedemütigt wieder zurück. Die Tochter sammelt alle Spielzeuggewehre ein, bis ihr gesagt wird, dass diese nicht zählen. Doch woher richtige Waffen nehmen, wenn man keine hat? Deshalb machen sich die beiden auf den Weg, um eine Pistole zu finden. Wir folgen den beiden und lernen dadurch die Menschen dieser Gegend kennen. Beim Q&A fragte eine Junge, ob dieser Film vor hundert Jahren spiele. Der Regisseur Hüseyin Karabey antwortete, das sei ein sehr gute Frage, denn der Inhalt der Geschichte sei tatsächlich schon sehr lange wahr, der Film selbst würde jedoch in der Gegenwart spielen. Er erhoffe sich jedoch durch die junge Generation, die solche Fragen stelle, eine Besserung der politischen Lage.

Singaporer im Exil
    Die Singaporer Künstlerin und Regisseurin Tan Pin Pin präsentierte uns heute Nachmittag ihren Dokumentarfilm To Singapore, With Love. Sie hat politische Exilanten befragt, die aufgrund ihrer engagierten kommunistischen Kämpfe für Demokratie und gegen Kolonialismus vor mehreren Jahrzehnten den Stadtstaat verlassen mussten. Bis heute dürfen sie nicht zurück kehren und dennoch ist ihr Lebenswunsch immer noch dieser Rückkehr in ihre Heimat und zu ihren Familien. Die in Singapur lebende und arbeitende Künstlerin erklärte uns im Publikumsgespräch, dass sie nicht wisse, wie der Film dort aufgenommen würde. Sie fürchte sich aber nicht vor Anfeindungen und würde ihn auch gerne mal in Singapur zeigen. Ihre Intention, den Film zu machen, sei es auch gewesen, ein Stück Geschichte zu erhalten.

Konzentrationslager in Deutschland
    Heute Abend waren wir in der vom Imperial War Museum (IWM) in London rekonstruierten Dokumentation German Concentration Camps Factual Survey. Britische, russische und amerikanische Kamerateams dokumentierten in den Jahre 1944 und 1945 die Gräueltaten in den Konzentrationslagern der Nazis. Es sollte ein Film entstehen, der die Deutschen mit ihrer Schuld konfrontierte. Die Alliierten entschieden sich dann jedoch gegen die Fertigstellung des Films. Gründe waren die Ansicht, dass über verschiedene Medien bereits viel Wissen über diese Gräueltaten verbreitet worden war und die Orientierung darauf, das Leben in Deutschland in funktionierende Bahnen zu lenken. Die Alliierten wollten die Nazis nicht mit Hilfsaktionen im folgenden Winter unterstützen müssen. Gleichzeitig gab es bei den Alliierten aufgrund des Krieges nicht die geplanten Kapazitäten, die Dokumentation zeitnah fertig zu stellen. Ob diese Entscheidung richtig war oder nicht, wie lässt sich das heute noch diskutieren? Die Wissenschaftler vom IWM planen, den Film in einer begleitenden Form öffentlich zu machen.

Dienstag, 11. Februar 2014

Montag, 10.2. ... schwarzweiße Beziehungskisten in den USA, Jugendliche in geheimer Mission rund um Kopenhagen und erwachsen werden im Norden Schwedens

Inside Cinema by Lilly Flowers

    Die Retrospektive hat uns heute früh in ein Doppelprogramm gelockt. In unseren ersten beiden Filmen aus den USA - von 1915 The Cheat von Cecil B. DeMille und aus dem Jahr 1914 The Typhoon von Reginald Barker - muss der erste japanische Hollywood-Star Sessue Hayakawa jeweils mit seiner Leidenschaft für eine Frau kämpfen. Das Setting stellt uns gut situierte Männern vor, die durch die Unwägbarkeiten ihrer Beziehungen in Bedrängnis geraten. In Die Schwindlerin reizt die geldausgebende Lebefrau ihren Verehrer so weit, dass er sie zu einer Affäre erpressen will. Den Schuss auf ihn nimmt der ihr alles vergebende Ehemann auf sich, sie rettet ihn jedoch in einer flammenden Rede vor Gericht. So bleibt der japanische Geschäftsmann als hartherziger Bösewicht zurück. Irritiert hat uns die harte Zeichnung einer vorgeblichen japanischen Kultur. Diese negative Zuordnung wurde 1918 an Birma weitergegeben, da nach Protesten aus Japan der Film als Elfenbeinkönig aus Birma ausgewiesen wurde.
    Im nachfolgenden Film Der Taifun führt uns die amerikanische Produktion nach Paris. Dort spielt Sessue Hayakawa den japanischen Diplomaten und Spion Tokorama. Als er seine Geliebte in einem Anfall von Eifersucht ermordet, wird sein Status geschützt und ein untergebener nimmt die Tat auf sich.
    Danach saßen wir im Haus der Kulturen mit einer überwältigend angenehmen Anzahl von Kindern und Jugendlichen in dem zu Herzen gehenden Generationenfilm Die geheime Mission. Karl muss mit seiner Mutter von Jütland nach Kopenhagen ziehen. In seiner neuen Schule eckt er durch seinen Dialekt als Landei bei seinen multikulturell geprägten MitschülerInnen an, die sich in der Großstadt zuhause fühlen. Auch das Mädchen Sawsan sieht sich als Außenseiterin, da sie sich mit ihren türkischen Familienwurzeln nicht im Reinen fühlt. Ihre Liebe zur Musik bringt die beiden zusammen und Karl unterstützt Swasan dabei, bei einem Talentwettbewerb im Fernsehen aufzutreten. Der Weg dorthin ist mühsam und witzig und bringt viele kulturelle Vorurteile ironisch ins Wanken. Wir haben viel gelacht und geweint - schade, dass der Film nur im Jugendprogramm laufen wird.
    In den wilden Zeiten der Jugend denkt der Mensch darüber nach, wie sein Leben sein soll und wo er damit hin will. Diese Gedanken waren eine Motivation der Lehrerin und Regisseurin Sofia Norlin, den Film Ömheten | Broken Hill Blues zu drehen. Kiruna, eine Stadt in Nordschweden ist der Mittelpunkt des Film und des Lebens der Protagonisten. Es ist eine kalte Gegend, in der die Sonne sich im Winter nicht lange blicken lässt und im Sommer nicht verschwindet. Dazu kommt der Erzabbau, der mit gut bezahlten Jobs lockt und doch die Erde immer wieder erzittern lässt. Markus ist fast erwachsen und eckt überall an. Die Familie ist nicht mehr wirklich sein Zuhause, die Schule wirft ihn raus. Er will auch nicht unter die Erde, der einzige Job, der ihm ein gutes und strukturiertes Leben geben würde. Wir sehen die weite grüne Natur, durch die er streift, doch nichts bringt ihm die Erlösung in ein ideales Leben. Schweigsam und aggressiv streift er durch die Gegend. Er ängstigt uns, wir haben aber auch Angst um ihn. Wir hoffen, dass er sich in die Welt der Erwachsenen einsortiert und gruseln uns gleichzeitig vor den angepassten Erwachsenen.


Montag, 10. Februar 2014

Sonntag, 9.2. ... zwischen Stadt und Land vor der Weltwirtschaftkrise, später auf einem Festival in Californien

Cubix Cinema by Lilly Flowers

    Zuerst irritierte uns das Setting des Films aus der Rubrik Retrospektive. Dieses kleine Dorf der Bauern und Fischer mit Ochsenkarren, schweren Stiefeln, Kopftüchern und langen Röcken, kennen wir von Bildern unserer Großmutter. Doch der Film Sunrise - A Song of Two Humans | Sonnenaufgang - Lied von zwei Menschen ist eine Hollywoodproduktion aus dem Jahr 1927 von Fox Film. Und es ist der erste Film, den Friedrich Wilhelm Murnau in den USA inszenierte. Er bekam dafür drei Oscars und der Film wird auch heute noch als ein Meilenstein der Filmgeschichte gelobt. Das Drehbuch von Carl Mayer entstand nach der Erzählung Die Reise nach Tilsit von Hermann Sudermann.
    Da uns in den einleitenden Worttafeln mitgeteilt wird, dass diese Geschichte immer und überall so stattfinden könnte, erhalten die Protagonisten keine Namen. Der Mann und die Frau sind seit ein paar Jahren verheiratet und haben ein Kind. Doch nun ist er leidenschaftlich für die Frau aus der Stadt entflammt, die Urlaub im Dorf macht. Dieser Frau begehrt den Mann, deshalb möchte sie ihn mit in ihre Stadt nehmen. Er soll seinen schlecht laufenden Bauernhof verkaufen. Doch er ist ja noch verheiratet. Leider fällt den Beiden nur ein, seine Frau umzubringen, damit sie frei sind und zusammen sein können. Die blasse blonde Ehefrau erträgt die Rivalin schon längere Zeit in zurückgezogener Trauer und Demut. Dagegen steht die schwarzhaarige, geschminkte Frau aus der Stadt als aggressiver Gegenpart. Zum kleinen Roadmovie wird der Film, als die Frau erkennt, dass ihr geliebter Mann daran denkt, sie zu ermorden. Sie rennt davon, in die Stadt, voller Reue läuft er ihr hinterher. In der Stadt finden sie ihre Liebe wieder, jedoch auch ein Leben, dass ihnen fremd ist. Sie genießen es und sind doch verloren in der Anonymität der vielen vorbei hastenden Menschen. Im dramatischen dritten Teil wird die neu entfachte Liebe fast von den Naturgewalten zerstört. Die Frau aus der Stadt hat schließlich das Nachsehen, irgendwie tut sie uns aber auch leid. Sie wirkt so einsam und die Stadt, in die sie nun allein zurück kehrt, erscheint nur vordergründig als modernerer und dadurch besserer Ort. Soll uns der Film etwa sagen, dass das Landleben in seiner Kargheit erstrebenswert ist? Regionale ökologische Landwirtschaft finden wir schon gut...
    Bei unserem zweiten Film Butter on the Latch von Josephine Decker sind wir in den USA geblieben. Sehr schnell wechselten wir von einer verwirrenden Situation in New York zu einem Balkan-Folk-Festival bei Mendocino. Zwei Freundinnen schwimmen zwischen Realität und Fantasie, kommen sich näher, verlieren sich, sind wieder zusammen. Regisseurin Decker erklärte uns nach dem Film das Konzept seiner Entwicklung. Die Schauspieler setzen innerhalb des tatsächlichen Musik-Festivals ihr Spiel um. So entsteht eine Situation aus Dokumentation und Drama, in dem die Protagonisten die Geschichte mit Leben füllen. Sie orientieren sich nur an Eckpunkten der Regisseurin, es gibt kein starres Drehbuch. Damit entsteht für die Darstellung der Geschichte eine kleine Freiheit, die durch die Persönlichkeit der Darsteller gefüllt wird. Die Kameraführung unterstützt dies durch Unschärfen, die langsam zum klaren Blick führen. Eine Situation kommt ins Bild und wird nicht vorgegeben oder gesucht. Wir haben uns danach lange über die Breite von Normalität unterhalten. Herrlich irritierend war die vielfältige Interpretationsmöglichkeit des Gesehenen.

Sonntag, 9. Februar 2014

Samstag, 8.2. ... Herr Castanhas Leben im Süden Brasiliens und Jugendliche auf ihrem Weg in der Türkei

Haus der Kulturen der Welt
by Lilly Flowers
    Regisseur Davi Pretto glaubt nicht an den Nutzen von einer ausschließlich anwendbaren Form im Film, wie er uns im Publikumsgespräch nach der Vorführung verrät. Deshalb schuf er mit seiner ersten Arbeit, dem Porträt von Joao Carlos Castanha, einen melancholischen Lebenslauf zwischen Spielfilm und Dokumentation. Der ältere Castanha lebt zusammen mit seiner Mutter in einer kleinen Wohnung. Von diesem gemeinsamen Lebensmittelpunkt aus spielen und zeigen sie ihr Leben der Kamera. Um den Lebensunterhalt zu sichern, tritt Castanha als Transvestit auf, zwischendurch geht er seiner weniger einträglichen Leidenschaft als Schauspieler im Theater und in Filmproduktionen nach. Seine Mutter Celina besucht ihren Mann im Altersheim und kümmert sich um ihren Enkel, der als unberechenbarer Drogenabhängiger die Dramaturgie steigert. Zu Beginn stolpert und rennt der nackte Castanha mit blutbeschmiertem Körper eine dunkle, einsame Straße entlang, begleitet von tosendem Lärm der gesammelten Töne des folgenden Films. Die ruhigen Bilder der Kameraführung gestatten unserem neugierigen Blick angenehm lange, auf den durch das Leben geprägten Gesichtern und Körpern von Sohn und Mutter zu verweilen. Wir sind bei ihnen Zuhause und gehen ein Stückchen ihres Lebensweges mit. Dadurch erfahren wir auch von ihrer Vergangenheit und bleiben dann in ihrer Gegenwart stehen. Beide wirken stark und zerbrechlich und wir wohnen bei ihnen. Wie es ihnen wohl weiter ergehen mag, das würde uns schon interessieren.
    Unser zweiter Film brachte uns heute in das Leben der Jugendlichen Deniz (übersetzt: Meer). Sie ist der Mittelpunkt des Films Mavi Dalga (Die blaue Welle), der unter der Rubrik Generation 14plus auf der Berlinale läuft. Zusammen mit ihren Freundinnen kommt Deniz in die Abschlussklasse ihrer Schule. Als junge Erwachsene müssen sie nun über ihre Zukunft entscheiden. Doch es bremst sie die Gegenwart, die entstehenden Gefühlen gehen über die kindlichen Schwärmereien für Lehrer und Jungs hinaus. Ungewohnte Leidenschaft, Ideen von Zuneigung und Liebe und die Geborgenheit in der Familie, der sie doch entfliehen wollen, diese Auseinandersetzungen teilt Deniz mit ihren Freundinnen. Aus Kindern werden Jugendliche werden Erwachsene, wir haben uns in diesen Auseinandersetzungen wiedererkannt. Ist aus uns geworden, was wir erträumten, was wir fühlten? Circa dreißig MitarbeiterInnen der Filmproduktion waren angereist, um sich mit dem Publikum auf der Bühne des Haus der Kulturen der Welt zu freuen und ihren Film zu feiern.

Samstag, 8. Februar 2014

Freitag 7.2....Japan im Bürgerkrieg

Wood by Lilly Flowers




Im frühen 16. Jahrhundert befand sich Japan in einem Bürgerkrieg, dessen erschreckende Auswirkungen auf die um ihr karges Leben rennende Landbevölkerung Kenji Mizoguchi in seinem Film Ugetsu monogatar als Hintergrund nimmt. Der Töpfer Genjuro möchte mit seinen Waren auf dem Markt in der Stadt genug Geld verdienen, damit seine Frau, sein Sohn und er ihr spärliches Familienglück leben können. Doch sein Schwager Tobei will nicht den Vorstellungen seiner Frau folgen und Ackerbau betreiben, sondern als Samurei in den Krieg ziehen. Deshalb will auch er mit den Töpferwaren von Genjuro Geld verdienen. Und zuerst machen die in der Stadt angekommenen Männer vermeintlich ihr Glück. Doch die im Land wütenden Kriegsparteien reißen das Leben der beiden Paare auseinander. Der schusselige Tobei kann durch Zufall den Kopf eines mächtigen Generals ergattern und wird deshalb in den Stand des Samurei erhoben. Als er mit seinen Kriegern in einem Bordell absteigt, trifft er auf seine Frau. Nachdem er sie allein gelassen hatte, war diese von Soldaten vergewaltigt worden und dadurch notgedrungen in das Prostitutionsgeschäft eingestiegen. Der Töpfer Genjuro lernt auf dem Markt eine reiche, schöne, junge Frau kennen und kann sich ihrer Anziehungskraft nicht entziehen. Er heiratet sie und verbringt eine sorgenlose Zeit auf ihrem Anwesen, samt Bediensteten. Durch Zufall erfährt er, dass diese Frau ein Gespenst ist und ihn verhext hat, da sie in ihrem früheren Leben keine Liebe erfahren hatte. Als er sich von ihrem Zauber lösen kann, findet er sich in den Ruinen ihres Hauses wieder. Soldaten überfallen ihn, glauben kein Wort seiner Geschichte und rauben ihn aus. Benommen von seiner Tat macht er sich auf den Weg nach Hause in sein Dorf. Seine Frau und sein Junge warten auf ihn, glücklich schlafen sie zusammen ein. Doch als am nächsten Morgen der Bürgermeister an die Tür pocht, erkennt Genjuro langsam die Wahrheit. Diese glückliche Nacht hat ihm ein Gespenst beschert. Denn seine Frau ist tot, sie wurde von umherstreifenden Soldaten umgebracht, als sie ein bisschen Essen für ihr Kind verteidigte.
   Regisseur Kenji Mizoguchi war es in seinem Filmschaffen ein Anliegen, das Leben von Frauen zu thematisieren. Er selbst wuchs in großer Armut auf, die ältere Schwester wurde als Geisha verkauft, seine Mutter vom Vater misshandelt. Seine ersten Filme drehte er in Armenvierteln, danach wandte er sich mehr der Situation von Frauen zu, wie in dem Film Taki no shiraito - Die weißen Fäden des Wasserfalls. Nach dem 2. Weltkrieg, während dem er bereits auf Druck der Regierung auf die Filmindustrie auf historische Themen ausgewichen war, behielt er häufig den geschichtlichen Aspekt bei und verband ihn mit Frauenschicksalen, wie in Kenji Mizoguchi von 1953.
    Das Drehbuch adaptierten Yoshikata Yoda und Matsutaro Kawaguchi aus einer Sammlung von Geister- und Kriminalgeschichten des japanischen Schriftstellers Ueda Akinari (1734-1809), dessen Mutter Prostituierte war.
   Die langen und ruhigen Kamerafahrten lassen viel Raum für die darin spielenden Figuren und das unerschöpfliche Grau der Bilder. Es wäre zu einfach, diesen Film als Schwarz-Weiß-Film anzupreisen. Die Kraft seiner Darbietungen schöpft er auch aus den Schatten, den Unklarheiten zwischen dunkel und hell, die das Leben bestimmen. Wir hätten gerne jedes einzelne Bild des Filmes länger angeschaut, um zu erkennen, wo wir sind. Eine ausverkaufte Vorstellung zu später Stunde am zweiten Tag der Berlinale - danke für diesen atemraubenden Film.

Donnerstag, 6. Februar 2014

Die 64. Berlinale beginnt heute


Cinema International @ Berlinale 2014
by Lilly Flowers

    Jedoch leider ohne uns, obwohl wir gerne Tilda Swinton oder Ralph Fiennes ein „Hi“ zugeworfen hätten. Aber wir freuen uns darauf, das Budapest der Zwischenkriegszeit bald nachzuschauen.
    Unser roten Teppich führte uns wieder einmal ins International und den beiden Schlangen vor den zwei Kassen. Heute half uns ein junger Mann mit rotem Sakko, schwarzer Hose, dunklen Schuhen und hoffentlich auch ebensolchen Socken, dabei, richtig zu queuen. Trotz dieser liebevollen Betreuung bemerkten die beiden Frauen vor uns erst nach zwei Stunden und kurz vor ihrem lang erwarteten Ende an der Kasse, dass ihre Wunschkarten ausverkauft waren. Dennoch zogen sie fröhlich von dannen und neuen Berlinale-Abenteuern entgegen.
    In unserer reizarmen Wartehalle bellte manchmal ein Hund, irgendwann roch es kurz und verführerisch nach Kaffee. Doch kein Getränke- und Essensverkäufer suchte an diesem einsam-vollen Ort nach potentiell interessierten Käufern. Hungrig und nach Koffein lechzend, verließen wir sofort nach unserem Plausch mit der netten Kartenverkäuferin diesen wundersamen Ort. Gleich dahinter, im Rathaus Mitte, gibt es ein Casino mit Frühstücks- und Mittagsangeboten.


Sonntag, 2. Februar 2014

Ja, ja, die Berlinale 2014 kommt!



Metrostation Sama, by Lilly Flowers
   Die Berlinale kriecht langsam auf uns zu und Schnee und Glatteis wissen noch nicht, was sie wollen. Wir schon: an unserem persönlichen Berlinale-Programm feilen. Und da wir manchmal zwischen den Berlinalen ins Kino gehen und brav solange still sitzen, bis der Abspann durch ist, kam uns der Name eines Jurymitgliedes (Herr Waltz läuft außer der Reihe) bekannt vor. Meist können wir uns diese Namen kaum merken, da sie nur so an uns vorbei rasen. Glücklicherweise genehmigen uns bedächtige Filme auch etwas mehr Zeit für ihre Angestellten, Arbeiter, Freiberufler und deren Helfer und Helfershelfer. Unwahrscheinlich, dass uns deshalb der Name Broccoli aufgefallen ist - ja, ja, wir genehmigen uns auch James Bond-Filme. Nach letztjähriger Berlinale-Tradition haben wir dennoch Glück, dass Frau Broccoli nicht den Vorsitz der Wettbewerbsjury bekam, sonst wäre bestimmt der neue James Bond im Wettbewerb (jedoch außer Konkurrenz). Wir hoffen, dass dies erst passiert, wenn Benedict Cumberbatch den James gibt, natürlich als Abstinenzler und mindestens auch Vegetarier. Wir wollen ja nicht, das James letztendlich doch noch impotent von seinen Gespielinnen im Rollstuhl durch die Actionszenen geschoben werden muss.
    Da wir aber zu James Schamus recherchiert haben, sind wir ganz zufrieden mit seiner Wahl zum Präsidenten der Wettbewerbsjury - obwohl wir die Wettbewerbsfilme erst im regulären Kinoanlauf genießen werden. Stimmt nicht ganz: den brasilianischen Beitrag Praia do futoro werden wir uns am Zuschauersonntag genehmigen, da er bestimmt nicht bei uns in die Kinos kommt und Wagner Moura so schön schauspielert. An James Schamus noch unseren herzlichsten Dank dafür, dass er uns Brokeback Mountain produziert hat. Ein Film, der zeigt, wie sinnvoll Kino sein kann.
    Und ab jetzt heißt es, Wetterberichte verfolgen, passende Kleidung bereit legen, kleine Äpfel und Trinkflaschen kaufen und den großen Plan entwerfen.
   Falls ihr auch gehofft habt, wieder etwas in die warmen afrikanischen Gefilde verschwinden zu können, müssen wir euch leider enttäuschen. Die Berlinale ist dazu immens schlecht aufgestellt. Wer sich da nicht für wen interessiert, bleibt uns leider bis heute unklar, sonst würden wir eine Petition verfassen.