Samstag, 2. Mai 2020

unsane ... Inhalt statt i-phone

   Was uns an Steven Soderbergh eher stört sind die fortlaufenden Ozean-Filme, obwohl, damals, den ersten mochen wir. Bei Unsane ist es eher die Einsparung der menschlichen Arbeitskraft, die wir kritisieren möchten. Denn was haben Ford und Taylor erforscht und Marx bemängelt? Das der Profit aus dem Menschen herausgepresst wird und nicht aus der Technik...und wer bezahlt die Steuern und die Sozialversicherungen? Die Technik? Oder die Manager, die über den Bemessungsgrenzen liegen? OK, wieder zurück zum Film. Warum wurde der Film in den Medien, die wir um uns hörten, sahen und lasen, so schlecht besprochen? Weil die Besprechung von Männern kam? Und die eine Frau, die wir hörten, von ihrem Moderator nicht auf den Inhalt sondern auf die Aufnahmetechnik angesprochen wurde? Doch letzteres haben wir ja oben schon abgehakt.
 
Also zu zweiterem, dem Inhalt. Der Inhalt, der auch eher abwertend als Improvisation abgetan wurde, wirkte vielleicht für uns genau deshalb so echt, weil nicht alles von denen durchdacht war, die es nicht spielen mussten. Es durften die Personen ihre Gefühle selbst dazu rauslassen und mussten nicht auf den Zentimeter genau zuerst dem Drehbuch und dann dem Regisseur gehorchen.
   Eine Frau in Angst vor einem Mann, der ihr im Namen der Liebe zuerst nachstellt, sie dann bedroht und sogar eine polizeiliche Verfügung bekommt. Doch das Leben ist anders und die Frau weiß das auch. Frauen haben Angst davor, dass Männer sie töten, weil sie ihrem männlichen Machtanspruch, der absurderweise hinter dem Begriff Liebe versteckt wird, nicht nachgeben. Deshalb flieht die junge Frau aus der Stadt, in der sie zuhause war und sucht sich einen Job und eine Wohnung, allein in einer fremden Stadt. Der neue Chef ist wie alle Chefs, herablassend und will für seine Mackerwitze und anzüglichen Bemerkungen ein Lachen von der jungen Frau hören, eine Selbstbestätigung seiner Macht als Mann und Chef - denn das gehört zusammen. Wenn man an Weinstein und Wedel denkt und diese Inszenierung sieht, könnte man fast denken, der Mann meint wirklich, dass er so umwerfend ist. Und das ist dann tatsächlich eine Verschiebung der Wirklichkeit, die der Mann sich leisten kann und ihm egal ist, dass die Frau so tut muss, um ihren Job zu behalten.
   Bei Unsane geht dies weiter, wird klarer und findet dazu schließlich in einer psychiatrischen Anstalt ihren Höhepunkt, in der die Menschen den absoluten Zwang erfahren. Auch Sawyer, die ihrer Mutter nie von ihrem Stalker erzählt hat, aus der Angst heraus, dass diese ihr, der nicht mehr so jungen Frau erzählen würde, sie solle doch den netten Mann nicht ablehnen und froh sein, doch noch einen abzubekommen, die muss dann einsehen, dass die Mutter die Einzige ist, die sie in ihrem angstbesetzen Leben noch als Vertraute hat. Ein starker Thriller, der uns jetzt, nach zwei Jahren, immer noch nicht aus dem Kopf gegangen ist. Von Soderbergh als Kritik an der Pharmaindustrie gedacht, spricht er Ängste über ausgeliefert sein bis nicht verstanden werden - das Sender-Emnpfänger-Problem - an, die in jeder und jedem schlummern und dennoch als Unterdrückungsform geschlechtsspezifisch auftreten. Krass klar zeigt er dabei, wie eindeutig der Mensch seine Macht (Geld, vorauseilenden Gehorsam und Gewalt) durch die gesellschaftliche produzierte Vorstellung von Geschlecht zur Erniedrigung und Unterdrückung der weniger Mächtigen nutzt. Heute würde frau sagen, dahinter scheint schon die darauf folgende Weinstein-Anklage und metoo-Debatte hervor.