Mittwoch, 20. Februar 2013

Sonntag..Tag 10..Tschechoslowakei, Russland, Griechenland

by Lilly Flowers
     Nun ist er vorbei, unser letzter Urlaubstag dieser Berlinale. Zuerst haben wir uns an den aussagekräftigen Dialogen von Hangmen Also Die! / Auch Henker sterben erfreut. Es war Bertolt Brechts einzige Hollywood-Arbeit, und eine, in der er mit dem Regisseur Fritz Lang zusammen gearbeitet hat. Mit anderen vor den Nazis in die USA Geflohenen, u.a. Hanns Eisler, der die Musik schrieb, realisierten sie diesen Anfang 1943 fertig gestellten Film über das Attentat auf den dritten Mannes des Nationalsozialismus, Heydrich, Ende Mai 1942 in Prag. Wie in der realen Geschichte, stirbt Heydrich eine Woche später an den Folgen des Attentats. Sonst entwirft der Film einen erfundenen Hergang der Geschichte und verbindet spannend einen Attentäter mit seinen Freunden im Untergrund und seinem normalen Leben, den politischen Einschätzungen der Zivilbevölkerung und die Hoffnung und Aufforderung zu einem gemeinsamen Handeln gegen die Nazis. In einem schlauen Wechselspiel können die Partisanen den Nazis einen Kollaborateur als Attentäter anbieten, diese akzeptieren ihn aus Eigeninteresse, durchblicken aber das Spiel. Ein offenes Ende über die brutale Gefährlichkeit der Nazis und die Notwendigkeit von gemeinsamem Widerstand. Die Uraufführung von Hangmen Also Die! war am 26.3.1943 in Los Angeles, der Kinostart in New York am 15.4.1943. Die Erstaufführung in Europa, Paris, erfolgte am 27.8.1947. In der BRD war die Erstaufführung am 3.4.1958 in Wiesbaden, im BRD-TV (WDR) am 23.10.1974 und im DDR-TV am 9.9.1984.
     Unabhängige Gewerkschaften sind in Russland eine Alternative zu der an die Arbeitgeber und den Staat angepassten offiziellen Gewerkschaft. Regisseurin Svetlana Baskova reiste ein paar Jahre durch Russland und hat sich mit Mitgliedern dieser unabhängigen Gewerkschaften, die meist nur aus 200 - 300 Beteiligten bestehen, unterhalten. Daraus entstand ihr Film Za Marksa... / For Marx..., ein Thriller über die Bemühungen und die Solidarität der Menschen in diesen unabhängigen Gewerkschaften. Bedroht fühlen sie sich nicht und doch werden in unserer Geschichte die Organisatoren eines Streiks ermordet. Zwei Menschen sind tot, später noch mehr und die Polizei nimmt es zu Protokoll. Das war es dann aber auch schon von staatlicher Seite. Der Gegenspieler im Film ist ein arroganter, ungebildeter, jähzorniger Kapitalist, den Karrieristen in allem unterstützen, um selbst ein Stück vom Kuchen ab zu bekommen. Endlich gesprochene Inhalte, endlich auch mal dreckige Bilder - der nackte Mann unter der gammeligen Fabrikdusche ist faszinierend ästhetisch inszeniert - und endlich mal keine Weichzeichnerromantik - oh, haben wir das vermisst. (Wir hätten gerne ein Plakat von der Duschszene). Anschauen, und nicht nur wegen dem Titel.
     Auf unseren allerletzten diesjährigen Berlinalefilm I Kóri / The Daughter waren wir schon lange gespannt und machten uns dann spät abends nochmal auf den Weg ins Kino. Eine Tochter in der Pubertät vermisst ihren Vater, den sie drei Tage die Woche sieht, sonst lebt sie bei der Mutter. Doch dann ist er einfach nicht mehr da, das Schloss seiner Schreinerei ist ausgetauscht. So schleicht sie sich hinten über die Mauer rein. Auf der Suche nach dem Vater schlendert sie dann durch die Stadt, in der auch Demonstrationen stattfinden. Da wir in Griechenland sind, wissen wir, dass es dabei um die Wirtschaftskrise geht. Langsam erfährt die Tochter, dass ihr Vater Schulden hat und sein Geschäftspartner ihn wohl betrogen hat. Sie entführt dessen Sohn, die beiden kommen sich näher und gleichzeitig bleibt der kleine Junge ihr Feind, sein Vater hält ihr den Vater vor. Sie droht, den Jungen in der Schreinerei zu zersägen, wenn sie nicht das Geld für ihren Vater bekommt. Uns tut dieser Teenager leid, weder Vater noch Mutter scheint sich für die Tochter zu interessieren, geschweige denn auf gleicher Ebene mit ihr zu sprechen. Sie ist ganz allein auf sich gestellt, ihre Eltern geben ihr keine Erklärungen, obwohl sie die Tochter in Abhängigkeit von sich sehen. Als es zum Showdown kommt, stehen Mutter und Vater verständnislos vor der Tür der Schreinerei, der Vater geht hinein, die Schreinerei geht in Flammen auf und schon ist der Film fast zu Ende. 
     Ein weiterer wortkarger Film am Schluss und so fügt sich der Kreis zu unserem ersten Berlinalefilm 2013. Wir hoffen, dass es 2014 mehr kämpferische Bewegungen und Widerstand in den Berlinalefilmen geben wird. Und bitte, ohne diese Romantisierung durch Weichzeichner und staubfreies Leben, dass schmälert jeden Erkenntnisgewinn. Dass es einen Unterschied zwischen Filmen und Leben gibt, wissen wir auch so.

Sonntag, 17. Februar 2013

Samstag..Tag 9..Bosnien und Herzegowina / Serbien / Deutschland, Volksrepublik China, Bosnien und Herzegowina

by Lilly Flowers
     Heute hatten wir schweres Programm mit den Folgen des Jugoslawienkrieges, dazwischen gab es ein Ehedrama aus China. In Krugovi/Circles überrascht ein Soldat während des Krieges seinen Vater und seine Freundin mit einem Kurzurlaub. Doch wegen einer Zigarettenschachtel kommt es zu Identitätskonflikten. Der Soldat greift ein, alle anderen schauen weg. Zuerst tritt die aggressive Macht der Soldaten gegen den muslimischen Kioskbesitzer auf und dann die tödliche Macht von drei Schlägern gegen Einen. Auf dem belebten Platz schauen alle weg, sie trauen sich nicht, sich gegen die Macht von drei Soldaten zu positionieren. Doch es bleibt in ihren Knochen stecken. Der Film spielt in der Situation zwölf Jahre danach. Der Vater trauert einsam um seinen Sohn, die Freundin flieht vor ihren gewalttätigen Ehemann und der Kioskbesitzer fühlt sich für sein gerettetes Leben in der Pflicht. Wo kann hier Menschlichkeit anfangen? Dem Vater gelingt es, indem er den Sohn eines Mörders seines Sohnes in seiner Nähe akzeptiert und gemeinsam mit ihm trauert.
     Mo Sheng / Forgetting to Know You erzählt eine typische chinesische Geschichte, wie uns die Regisseurin Quan Ling nach dem Film erzählt. Da auf der Berlinale die Weltpremiere ist, könne sie uns auch noch nicht sagen, wie der Film in China aufgenommen wird. Das sie ihre Figuren nicht mochte, hat sie festgestellt. Das haben wir dem Film aber nicht angesehen. Sie taten uns leid, denn auch hier, wie in vielen anderen Teilen der in dieser Berlinale gesehenen Welt,  sie bekommen den Mund nicht auf. Menschen, warum sprecht ihr nicht zueinander? Überwindet doch die Angst voreinander und macht niemandem Angst. Sie und er sind verheiratet, haben ein Mädchen. Sie und er checken sich gegenseitig die Handys. Aus Eifersucht, sagt die Regisseurin und dies sei typisch chinesisch, hm, und sie deutet es als Liebe, hm. Kontrollsucht ist uns in diesem Zusammenhang auch schon mal begegnet. Er vergewaltigt sie, sie besorgt ihm Geld, damit er ein eigenes Geschäft aufmachen kann. Eine nie langweilig dahinfließende Geschichte mit stimmigen Farben und ruhigen Bildeinstellungen, ohne das die Bilder zu sauber wirken. Doch ein paar schrille Schreie hätten einen Superfilm daraus gemacht. Zum Thema kam die Regisseurin und Drehbuchautorin über die vielen Single-Anzeigen von Frauen, geschieden, mit Kind, in den chinesischen Zeitungen.
     Auf den letzten Film Obrana I Zastita / A Stranger hatten wir heute am meisten gesetzt. Unsere beiden Sitznachbarn auch, wie wir ihren Gesprächen entnahmen. Doch dann schnarchte der Herr neben mir zwischendurch immer wieder Mal ganz deutlich. Sie reden und wiederholen diese Allerweltssprüche. Ein Schneckentempo an Gesprächen, die keinen heißen Brei ansprechen wollen. Er will auf die Beerdigung, doch was denken die Leute von ihm, gibt es schlechte Gerüchte über ihn, die er nicht kennt? Will er seine menschliche Pflicht erfüllen? Seine Umgebung scheint nicht so kompliziert an die Welt heranzugehen. Doch er denkt zwischendurch ans Sterben. Und obwohl wir nichts über seine Vergangenheit erfahren, finden wir, dass sein Sohn ihn respektlos behandelt. Es könnte schon sein, dass dieser Film den größten Erkenntnisgewinn des Abends brachte. Vielleicht auch gerade wegen seiner in eine kleine Geschichte gepackten Unschlüssigkeit. Wir hatten die Augen immer offen.
     Und die Ohren auch, als wieder mal so ein lauter Satz im Kinosaal neben uns platziert wurde, der die bösen Leute treffen sollte, die nicht aufrücken und einzelne Sitze neben sich frei lassen. Das kann doch nur von Leuten kommen, die immer in Zweiermustern denken. Während der Berlinale gehen wir in einen Film und nicht zum Pärchenevent. Wenn ihr da ein idealplaziertes Zweierkuscheln wollt, müsst ihr halt früher anstehen. Warum sollen wir unsere persönlichen Distanzwünsche aufgeben, nur weil es euch gerade in euren Nähekram passt? Ihr seid ja dann auch die Monster, die während des Films mit ihrer Chipstüte rascheln.

Samstag, 16. Februar 2013

Freitag...Tag 8...Kenia, Korea, Türkei

Weg zwischen Potsdamer Platz und HKW
by Lilly Flowers
     Heute Mittag gingen wir mit der Doku Tough Bond aus dem Generationen-Programm nach Kenia. Kinder und Jugendliche vertreiben sich mit Klebstoff schnüffeln, Produktname Tough Bond, den Hunger und verschönern für ein paar Momente ihr perspektivloses Leben. Vom Land in die Stadt und zurück sehen wir unterschiedliche Lebensweisen und Möglichkeiten für Jugendliche. Doch das soziale Auffangbecken für elternlose Kinder in der traditionellen, meist ländlichen, Wohnform, gibt es heute nicht mehr. Heutiges Leben in einer traditionellen Hütte: die Kinder hüten Schafe, holen Wasser, die kleine Dorfgemeinschaft ist kaum vorhanden und keine Schule weit und breit. Aus dieser Gegend im Nordwesten von Kenia sind viele junge Menschen in die nächsten Städte oder nach Nairobi gezogen. Dort erarbeiten sie etwas Geld durch Müllsammeln auf der Straße oder Sortieren auf großen Müllbergen und essen, was sie vor Ort finden. Erträglich wird dies für die Stadtkinder, da sie immer eine Flasche mit Klebstoff unter der Nase hängen haben. Durch eine trickreiche Herangehensweise gegenüber offiziellen Stellen, konnten die beiden Regisseure eine offizielle Aussage des Vizepräsidenten von Kenia in die Kamera bekommen, in der er behauptet, es gäbe in seinem Land keine Straßenkinder mehr. Ein Raunen geht durch den Saal. Nach der Aufführung erzählen uns die Filmemacher, diese Kinder würden einfach nicht existieren, da sich niemand für sie interessiert, sind sie Luft. Das Gleiche sagt die interviewte Sozialarbeiterin. Der Film wurde bereits den beteiligten Jugendlichen in der Stadt und auf dem Land gezeigt, wo er jeweils Verwunderung über die gezeigten Lebensrealitäten der anderen hervorrief. Nach der Berlinale will die Filmcrew weiter in Kenia mit dem Film herumreisen. Vielleicht überdenken der Klebstoffverkäufer und der Klebstoffhersteller dann nochmal ihre Position, dass sie den Kindern in ihrem kleinen schlechten Leben ja mit dem Zeugs was Gutes tun.
      In der Republik Korea geht es in der Schule sehr hart zu. So beschreibt die ehemalige Lehrerin und heutige Regisseurin Shin Su-wohn in Worten und in ihrem Thriller Pluto das dortige Schulsystem. Spannend aufgebaut mit ökonomischen und sozialen Hierarchien, verbunden mit einem Hauch von Pubertät, kämpfen die Schüler gegeneinander um die wenigen Elite-Plätze in der Schule und somit in der Gesellschaft. Wer in Korea nicht studiert, bekommt keinen regulären Arbeitsplatz. Zuneigung und Freundschaften sind in diesem System nicht vorgesehen und wo sie doch stattfinden, könnten sie die Karriere zerstören. Zugespitzt zeigt der Film einen superreichen Jugendlichen im Kampf um die beste Leistung, die nichts mit Können, sondern mit Geld für einflussreiche Nachhilfelehrer und das miese Austricksen armer Eliteschüler zu tun hat. Und konsequenterweise explodiert am Schluss die Folterkammer unter der Schule. Wie uns die engagierte Regisseurin im Publikumsgespräch wissen lies, gibt es eine hohe Selbstmordrate unter Schülern in Korea.
     Unser letzter Film heute ist eigentlich nur zufällig in unsere Auswahl gekommen. Wir hatten erst zwei gesehen und zu so später Uhrzeit ist die BVG-Verbindung ins Cubix bequemer. Dazu kam schon, dass wir auch mal sehen wollten, was ein türkischer Regisseur aus dem Thema Prostitution macht. Das uns dieser Film dann so packt und wir fast kotzend aus dem Kino kommen, hätten wir nach der Beschreibung nicht erwartet. Brrr, kalt und auf der Haut schmelzend, wie der viele weiße Schnee in der Winterwunderwelt, kein Wunder, dass der Film mit Soguk /Cold betitelt ist. Doch dass die Männer als Spezies so schlecht wegkommen, hätten wir nun nicht erwartet. Ob die Frauen als Identitätsgruppe besser wegkommen, wir konnten uns da nicht einigen. Nun zu der Geschichte: Die Frau eines Eisenbahnschienenkontrolleurs ist hoch schwanger. Ihre Schwester heiratet den Bruder ihres Mannes. Die Brüder sehen es als ihr Mannesrecht an, in ihrem Eheleben zu tun, was wie wollen, meint, in den Puff zu gehen. Irgendwie ist zwischen den Brüdern keine gute Stimmung, es wird nie erzählt, was früher zwischen ihnen passiert ist. Der Eisenbahnmensch hebt kaum den Blick und spricht nur wenige Sätze. Sein Bruder, eigentlich Verkäufer, arbeitet nebenher im Puff und ist unberechenbar aggressiv. Der eine Bruder verliebt sich in eine der russischen Prostituierten und würde für sie alles tun, wie er ihr verzückt sprachreduziert beteuert. Das Geschäft Prostitution bleibt, auch in den Gesprächen, immer im Gegensatz zum Wunsch nach Gefühlen. In einem hin und her wird das wortkarg, traurig-aggressive Familienleben der verheirateten Brüder in verhalten emotionalen Bildern transportiert. Ihre Frauen haben wenigstens sich und als Schwestern ein gutes Verhältnis zueinander. Mit einem Unglücksgefühl und ohne dadurch glücklicher zu werden, bringt der eine Bruder den anderen um, lässt ihn vom Zug überfahren. Das ist der Schluss und wir sind sprachlos und uns ist schlecht. Nur als Ergänzung, wenn uns von einem Film schlecht wird, ist das ein gutes Zeichen, das erste Mal passierte es uns bei Reservoir Dogs und dann wieder bei Pulp Fiction. Wie Achterbahn fahren, wenn der Magen hüpft, ist es besonders spannend.
     Wir haben heute irgendwo in einer Zeitung gelesen, dass besonders das Generationenprogramm der Berlinale erschreckend ernst daher käme. Wo denn die komödiantische Auseinandersetzungform geblieben sei, wie sie Charly Chaplin oder Billy Wilder betrieben hätten. Ja, da werden große Namen aus längst vergangenen Zeiten gegen ein Generationenprogramm geworfen, das auf einer ganz anderen Ebene angesiedelt ist. Vielleicht könnte man die Komödienlosigkeit dem Wettbewerb vorwerfen, wenn man sich trauen würde? Die in unseren Generationen-Filmen mitsitzende Jugend hat es immer genossen, durch die Filme mit ihren Themen ernst genommen zu werden. Sie haben ja sonst Komödie genug mit dem grässlichen Zeug im Fernsehnachmittagsprogramm, bei dem, wie wir hörten, auch manchmal Lacher eingespielt werden. Da kotzen wir doch lieber für einen guten Film.

Freitag, 15. Februar 2013

Donnerstag..Tag 7..Griechenland, Japan, Brasilien, Italien

Bänke zwischen Kino und Kino
by Lilly Flowers
     Wie schon die letzten Tage, war heute auch wieder viel Landschaft in unserem Programm. Zuerst tauchten wir mit Sto Lyko / To the Wolf in regnerische griechische Berge mit schönen Aufnahmen von nebeligen Wäldern und älteren, noch in den Bergdörfern lebenden, Menschen ein. Seit 2010 haben die beiden Regisseure Christina Koutsospyrou und Aran Hughes die Menschen aus dem Dorf des Vaters von Christina begleitet. Überaus aufgeschlossen dieser Dokumentation gegenüber, zeigten sie viel von ihrem einfachen Leben des Arbeitens, Rauchens, Streitens und Trinkens. Die tristen Zustände dieser noch dort lebenden älteren Bevölkerung fängt der Film in liebevoll gemalten Bildern ein. Arm und nicht besonders geschickt im Umgang mit Geld, versuchen sie, ihr seit Jahrzehnten gewohntes Leben gemeinsam zu meistern. Ein schönes Portrait, dass die griechische Krise nicht als Hauptbezugspunkt nutzen möchte, sie jedoch im Hintergrund mitschwingen lässt.
      In das Japan nach dem Erdbeben führt uns Senzo ni naru / Roots von Kaoru Ikeya. Er porträtiert den 79-jährigen Naoshi, der in den Fluten des Tsunami seinen Sohn verloren hat. Sein Haus wurde jedoch nur bis zum 2. Stock überflutet und ist sonst stehen geblieben. Er möchte dort weiter wohnen und seinem Sohn gedenken. Sehr agil und drahtig, arbeitet er immer wieder als Holzfäller, sägt sehr gekonnt die beschädigten Bäume um und entschließt sich letztendlich doch, aus diesen Bäumen ein neues Haus für sich zu bauen. In dieser Dokumentation erzählt der Protagonist Naoshi freizügig von sich uns seiner Widerspenstigkeit, die ihn sein Leben lang geprägt hat und während der Dreharbeiten dazu führt, dass ihn seine Frau verlässt. Doch wie der Regisseur nach dem Film so schön sagt, wer weiß, was daraus noch wird. Er wollte mit dieser Dokumentation den Aufbruch nach dem Tsunami und Fukushima zeigen, deshalb hat er andere Bilder gesucht und dabei diesen vor Leben sprühenden älteren Herrn gefunden.
      Zuerst hatten wir ja noch etwas bedenken, in einen Film über einen Künstler, der von dem Neffen des Künstlers gedreht wurde, zu gehen. Doch glücklicherweise haben wir es getan und uns über den titelgebenden Hélio Oiticica informiert. Na ja, informiert, wir konnten in die vielen Formen seines unterschiedlichen Schaffens einblicken und bekamen geradezu Lust, auch mal Kreativität auszuprobieren. Doch er hat es gemacht und uns viele Blickwinkel hinterlassen, aus dessen Material große Teile des Films stammen. Regisseur Cesar Oiticica Filho erzählt uns, dass es nicht so einfach war, die brasilianische Geschichte mit seiner Militärdiktatur in den Film einzuweben. Von dieser Zeit gäbe es nichts in den brasilianischen Archiven und so hätte er sich mit Eisenstein ausgeholfen. Zu Anfang des Film sieht man, wie der Künstler sich in einer anarchistischen Gruppe engagiert. Im Abspann sind die vielen Film- und Kunstzitate aufgelistet, sehr spannend, da hätten wir gerne eine Liste davon. Und nebenbei noch was zum erfreulichen Abspann: kein Petrobras als Sponsor.
    Und jetzt dachten wir, ach, Sardinien, so eine schöne Insel kann doch nicht einmal vom größten europäischen Waffenerprobungsgelände in Mitleidenschaft gezogen werden. Nicht wirklich und doch auch, man sieht es nicht. Wenn es knallt und explodiert, hört man es vielleicht. Doch die Radioaktivität im Boden und in den Tieren und Menschen, sieht man nicht. Das kennen wir auch seit Tschernobyl. Doch die Menschen dort erleben es ohne Hilfe seitens des Militärs, und wir, wollen wir diese Waffen überhaupt? In Materia Oscura / Dark Matter wird ohne Kommentar dokumentiert, wir sehen wieder viel Landschaft, die auch mal in die Luft geht. Wie die Regisseure Massimo D'Anolfi und Martina Parenti an die blockbustermäßigen Archivaufnahmen des Militärs gekommen sind, hätte uns noch interessiert, doch leider mussten sie bereits vor Ende des Films zum Bahnhof.
     „Filme sind nicht da, um etwas zu erklären, sondern um zu verwirren“, diesen Satz haben wir heute aus dem Arsenal mitgenommen. Ja, gerne doch, sagen wir dazu, wenn die Verwirrung bei uns ankommt und wir darüber zu Erkenntnissen gelangen.

Donnerstag, 14. Februar 2013

Mittwoch..Tag 6..Thailand, Guinea-Bissau, Indien

by Lilly Flowers
     Heute Nachmittag fingen wir mit einem politischen Landschaftsfilm an, da hatten wir ja schon einige diese Berlinale. In Boundary / Fahtum Pandinsoong führt uns der gesellschaftspolitisch sehr interessierte Regisseur Nontawat Numbenchapol, den wir in einem engagierten Publikumsgespräch nach dem Film kennenlernen durften, in das thailändische Grenzgebiet zu Kambodscha. Aus diesen ländlichen Gegenden kommen die „Rothemden“, die im politischen System von Thailand den „Gelbhemden“ gegenüberstehen. Letztere stehen für konservative Haltungen mit dem Wunsch, das Königreich zurück zu bekommen. In der heutigen Zeit, mit den schon lange vorhandenen politischen Spannungen, fährt er mit einem vom Militärdienst zurückkehrenden Soldaten, in dessen Dorf an der Grenze zu Kambodscha, in der Nähe des von beiden Staaten beanspruchten hinduistischen Tempels Prasat Preah Vihea. Durch die filmische Dreiteilung in Bangkok als Ausgangspunkt der Gelbhemden, die Reise und das Dorf mit den Rothemden, erfahren wir viel über die unruhige Geschichte von Thailand. Der Soldat erzählt uns dabei aus seinem Leben: er war zwischen seinem 8. und 12. Lebensjahr buddhistischer Novize und verließ dann das Kloster wieder, bei der Verlosung zum Militärdienst hatte er Pech und wurde ausgewählt. Nun kehrt er in sein Dorf zurück, dessen Umgebung mit Landminen durchsetzt ist. Das Dorf liegt in der Nähe des Tempels, der zum Weltkulturerbe gehört und von Grenzkonflikten geprägt ist, die aus gegenseitigen Vorurteilen zwischen Thailändern und Kambodschanern herrühren. Als er einen Teil in Kambodscha filmte, gab sich der Regisseur als US-Amerikaner mit chinesischen Wurzeln aus, um überhaupt drehen zu können.
      Unser nächster Film A Batalha de Tabatô / The Battle of Tabatô war eigentlich toll, wäre da nicht der Regisseur doch noch zu dieser Weltpremiere seines Films aufgetaucht. Er wollte eigentlich auch schnell wieder weg, hätten wir ihn doch lassen. Irgendwie war er vielleicht krank, vertrug ein Medikament nicht oder hatte eine Allergie: er kratzte sich die ganze Zeit und beantwortete die Fragen zuerst mit philosophischen Allgemeinplätzen und dem Verweis darauf, dass die Vergangenheit und die Zukunft der Menschheit in Afrika liegt. Über die gestellten Fragen nach dem Film wollte er nur sagen, dass sich die Geschichte einfach so entwickelt hat und er eigentlich nichts dazu sagen kann. Wir hatten das Gefühl, mehr in dem Film entdeckt zu haben, als er kratzenderweise Beantworten wollte. Warum er die Frau hat sterben lassen, interessierte einen Zuschauer, es hätte doch genau so gut eine Ziege sein können. Der Regisseur schien sich nicht wirklich an den Inhalt seiner Weltpremiere zu erinnern und meinte nur, das sei halt so gekommen und Kinder würden den Film verstehen. Wir sollten ihn doch auch einfach verstehen, so wie er ist. Nun, die Geschichte geht grob so: Eine Lehrerin in Guinea-Bissau will einen bekannten Musiker heiraten und bittet ihren in Portugal lebenden Vater, sie dafür zu besuchen. Er lebt mit seiner Frau seit einigen Jahrzehnten nicht mehr dort, nur ihre beiden Töchter leben in Guinea-Bissau. Er fragt seine Tochter misstrauisch, warum sie ihn bei ihrer Hochzeit dabei haben will und nicht die Mutter. Sie verweist auf irgendeine alte Geschichte, die noch welche klären wollen und er bekommt flashbacks. Seine militärische Vergangenheit scheint den Vater wieder einzuholen, Gespräche dazu scheitern an beiden Seiten. Als in einer Radiosendung, an der sein zukünftiger Schwiegersohn beteiligt ist, ein Lied über den Krieg eingespielt wird, fährt er an einen Baum und seine Tochter, bereits im weißen Hochzeitskleid, stirbt. Ansprechende Schwarzweißbilder und menschliche Verhaltensweisen, die Versuchen, den Krieg hinter sich zu lassen, machen den Film sehens- und interpretierenswert - auch wenn uns der Regisseur dazu keine Auskunft geben will und sich mit seinem unruhigen Körper beschäftigen musste, der arme Moderator hat wirklich sein bestes versucht.
     Eine nette Moderatorin mit einer lieben Crew stand nach unserem letzten heutigen Film Powerless vor uns. Schon die von ihnen erzählten Geschichten um diese Dokumentation herum, hätten einen zweiten Film gefüllt. In Kanpur, einer Stadt, die einmal als Manchester von Indien bezeichnet wurde, gibt es unendlich viele Stromausfälle. Es lassen sich die Stunden zählen, in denen die Stromversorgung für Krankenhäuser, Fabriken und das tägliche Leben funktioniert. Da die Wasserversorgung auf Elektropumpen angewiesen ist, gibt es ohne Strom auch kein Wasser. Und die Stadt hat 3 Millionen Einwohner, also etwas weniger als Berlin. Damit nicht alles im Dunkeln und Trockenen liegt, wissen sich die Einwohner illegal zu helfen und zapfen von den wenigen vorhandenen Generatoren und großen Leitungen individuell ihren Strom ab. Einer der „Elektriker“, der ihnen dabei hilft, wird bei seinem Tun und Leben porträtiert. In Interviewpassagen beschreibt er genau, warum sich nichts ändern wird und er sich als Robin Hood entschieden hat, den einfachen Menschen durch „Stromlieferungen“ ihr Leben zu erleichtern. Politik und lokaler Stromkonzern wollen gesetzlich dagegen einschreiten und nehmen ihn auch mal fest. Sie sind aber letztendlich hilflos, da die Menschen ja auch Strom wollen und brauchen und er legal mit den vorhandenen technischen Mitteln nicht lieferbar ist. Das Filmteam, von dem Zwei aus dieser Stadt kommen, erzählte, dass es durchschnittlich 2 - 5 Stunden Strom pro Tag gibt. Und es gibt normalerweise auch keine Touristen in der Stadt, deshalb war die Anwesenheit der Crew um Fahad Mustafa und Deepti Kakkar schon eine Notiz in der Tageszeitung wert. Und, nicht weitersagen: um keine Bestechungsgelder bezahlen zu müssen und doch diese beeindruckend offiziellen Bilder filmen zu können, hat sich die Produzentin für die Nichte eines hochstehenden Beamten ausgegeben...bei Low-Budget-Filmen ist man halt auf gewisse Kniffe angewiesen...

Mittwoch, 13. Februar 2013

Dienstag..Tag 5..Bulgarien, Kanada, Albanien, Kuba, Portugal, Japan


     Heute hatten wir wieder ein Kurzfilmprogramm, dass uns gleich vier Länder in einer Vorführung brachte. Bühne zeigt in einer Einstellung eben jene Bühne, die Haupthalle für Sport und Kultur in Varne, bei der Veränderung. Langsam senken sich die Sitzreihen, eine Bühne erscheint. Schön und meditativ anzuschauen, bemerkten wir den lärmenden Sound erst als der Film zu Ende war und wieder Ruhe herrschte.

     Ähnlich ging es bei Remanence I / Lost, Lost, Lost, Lost weiter. Der Sound war noch intensiver und brummte und zischte mit Bildern, die wie Stromunterbrechungen wirkten und doch aus einer entmagnetisierten VHS-Kopie von Jonas Mekas Film Lost, Lost Lost genommen wurden.

     In Never tat es uns dann doch leid, dass die ganzen Büsche und Pflanzen ausgehakt wurden, um sichtbar weiße Farbe auf die Steine zu sprühen. Für die Dorfbewohner nahe des albanischen Bergs Shpirag war es jedoch wohl wichtig, aus dem früher dort prangenden Namen des albanischen Diktators ein Never zu machen. Was wir auch verstehen können.

     Und jetzt der Film zum Foto. Auf Kuba entwickelten sich aufgrund des Wohnraummangels die titelgebenden Microbrigades - Variations of a Story. Da der Staat die Wohnungsnot nicht selbständig beheben konnte, wurde Fabrikarbeitern der Wohnungsbau beigebracht. So verbrachten sie einen Teil ihrer Arbeitszeit mit dem Bau ihrer Wohnungen. Mit Archivmaterial, Interviews und Bildern sahen wir Stadtteilplanungen und Häuser, die vom Konzept her an Brasilia oder Marzahn erinnern, jedoch um einiges bewohnerfreundlicher wirken.

     In unserem nächsten Film waren wir wieder mal im Haus der Kulturen der Welt und sahen mit vielen Jugendlichen Um Fim Do Mundo / The End of the World im Generation 14plus-Programm. Zu recht wurde nach dem Film der Regisseur gefragt, wie er zu dieser eigenartigen Titelgebung kommt. Wir verstanden schon, das er mit der englischen Übersetzung nicht so glücklich war und würden nach seinen Aussagen nun mal frei den Titel ins Deutsche als „Am Arsch der Welt“ übersetzen. Jugendliche leben in einer Siedlung so vor sich hin, es sind Ferien, sie gehen in die Disko und an den Strand. Doch den Strand am Hafen in ihrer Stadt Setubal, 50 km südlich von Lissabon, in dessen Teil Boa Vista sie leben - Boa Vista heißt „Schöner Ausblick“ - würde kein portugiesisches Tourismusbüro in seinen Katalog aufnehmen. Die vier Jugendlichen, die nun auch mit dem Regisseur und der Produktionscrew vor uns auf der Bühne stehen, versuchen, Spaß zu haben. Die Mädchen unterhalten sich über die Jungs und die Jungs albern herum. Woher diese Ziellosigkeit des Filminhalts kommt, wird von einer Jugendlichen aus dem Publikum gefragt. Sie sagen uns, sie spielen im Film einen Teil ihres Lebens. Der Film ist aus einem dreiteiligen Projekt zu diesem Stadtteil entstanden, ergänzt uns der Regisseur Pedro Pinho. Obwohl wir nicht mehr zu dem Kreis der Jugendlichen gehören, konnten wir uns mit diesen sich drehenden und wendenden Schwarzweißbilder gut in dieses Lebensgefühl einschwingen.

     Danach ging es mit der Dokumentation ...Moddhikhane Char / Char... The No Man's Land in das Grenzgebiet zwischen Indien und Bangladesch. Der Grenzfluss ändert immer wieder seinen Lauf, frisst Dörfer und gebiert Inseln. Regisseur Sourav Sarangi fängt eine kurze Zeitspanne im Leben von Rubel ein, der sich und seine Familie dort, wie viele andere auch, mit Schmuggel über Wasser hält. In langen Aufnahmen, die uns die Veränderungen der Landschaft und die Anpassungsleistung der Bewohnerinnen zeigt, steigen wir langsam in dieses Wasserleben mit ein.

     Und dann, was hatten wir einen schönen Abschluss des Abends mit dem japanischen Alpenwestern Shito no densetsu / A Legend or was it ? Es wurde gelogen und geschossen, wie es leider noch nie in den Allgäuer Alpen verfilmt wurde. Wobei wir nicht sagen würden, dass dies dort nicht auch fast genauso passieren könntewürde. Das Ende des zweiten Weltkriegs naht für Japan, die Menschen sind kriegsmüde und verkraften doch nicht, dass sie „verlieren“. Und dann ist da noch dieser unsympathische verliebte Bürgermeistersohn, der die Zurückweisung seiner Heiratsanfrage in einen Rachefeldzug verwandelt. Regisseur Keisuke Kinoshita hat uns in diesen 1963 entstanden Schwarzweißfilm eine Botschaft eingewebt, die so ähnlich schwingt wie: die Menschen sind nicht so, die Umstände sind es, die sie so sein lassen.

Dienstag, 12. Februar 2013

Montag..Tag 4..Niederlande, Korea, Japan, Jordanien, Frankreich, Südural

Vor dem International
by Lilly Flowers
     Die Kurzfilme haben uns heute eine schnellere Reisegeschwindigkeit erlaubt. Und trotzdem schafften wir es nicht auf die andere Seite des Äquators. Unsere Reise fing in den Niederlanden mit einem Krimi an, der wie ein Vorbild für die heutigen Vorabendkrimis wirkte. Ein gewissenhafter Kommissar gibt sich mit einfachen Erklärungen nicht zufrieden, sondern sucht die Geschichte hinter dem geständigen Mörder. Dieser weiß nicht, dass er seine ehemalige Partnerin nicht getötet hat. Ein schwarzweißes Durcheinander zwischen Theater und Geld, mit einem ruhigen Kommissar Lund. Ob der Name für die heutige Serie Pate stand, muss der Fan an anderer Stelle erfragen. Uns brachte Het mysterie van de Mondscheinsonate / Das Geheimnis der Mondscheinsonate, dieser niederländischer Krimi aus dem Jahr 1935, einen kurzweiligen Einstieg in den Tag. Gezeigt wurde er im Rahmen der wiederum tollen Retrospektive, als Regiearbeit von Kurt Gerron, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde. Peter Lorre und Marlene Dietrich hatten versucht, ihn vor den Nazis zu retten und nach Hollywood zu holen, was er wegen seiner Sprache als Schauspieler ablehnte.
     Die Shorts I brachten uns zuerst mit den Love Games in die Republik Korea. Im Gespräch danach zeigte sich die Regisseurin verwundert über die Unkenntnis des Publikums. Wir werden diese Liebesspiele, die sie uns in schönen Zeichnungen ohne Sprache nahebrachte, bei nächster Gelegenheit mal ausprobieren. Obwohl ja dieser Kuchen aus Stein schon etwas merkwürdig schmecken könnte.
     Im zehnminütigen Zeitraffer zeigte uns Uzushio - Seto Current einen Tag in Japan, von Sonnenaufgang bis zum schön leuchtenden Sonnenuntergang, das schaukelnde Wasser im Vordergrund. Schön anzuschauen und doch nicht meditativ, da der Zeitraffer dem Auge keine Entspannung gönnt.
     Auch aus Japan kam der nächste Short The Silent Passenger, Aufnahmen mit lautlos vor sich hin krabbelnden Tieren, denen wir fasziniert bei ihren Bewegungen zuschauten. Der Regisseur Hirofumi Nakamoto erklärte uns seine Beweggründe für den Film damit, Lebewesen in eine fremde Umgebung zu bringen und sie dann bei ihrem Tun zu filmen, ohne dass sich jemand im gleichen Raum befindet. Die armen Tierchen fanden das bestimmt nicht so lustig. Krebse auf dem Teppichboden eines Hotelzimmers, oder im Schirm einer Lampe, Schmetterlinge im Innenraum eines Autos. Die Machtverhältnisse waren da ja wohl schnell geklärt. Was wohl ein Puma zu solch einem Arrangement gesagt hätte?
     In Al Intithar / The Waiting führte uns Regisseur Mario Rizzi vor Augen, wie Frauen in einem syrischen Flüchtlingskamp in Jordanien zurechtkommen. Für diesen kurzen Dokumentarfilm hat er seine 29jährige Protagonistin zweimal dort begleitet. Er entdeckt die wichtige Rolle der Frau, die sich um die Ernährung, Kleidung und Gesundheit der Familie kümmert, während Männer und Kinder darauf warten, dass sich an der Situation etwas ändert. Seine Protagonistin hat drei Kinder, ihr ältester Sohn ist bereits 14 Jahre und somit nur ein Jahr jünger als seine Mutter bei seiner Geburt.
     Auf die Nöte eines Sozialarbeiters in Marseille fokusiert der französische Short La Fugue / The Runaway. Die betreute Jugendliche will sich nicht so einpassen, wie es das Gericht von ihr verlangt. Der Sozialarbeiter will ihr helfen und sucht sie in der Stadt, um wenigstens die schlimmsten Repressalien von ihr fern zu halten. Beide haben ihre Gründe für ihren Lebensentwurf und wir sind froh, dass wir nicht Sozialarbeiter sind und auch keinen an unsere Seite gestellt bekommen haben ... bis jetzt.
     Zum Abschluss des Abends waren wir noch in dem viel gelobten Metamorphosen, der unter der Rubrik Perspektive deutsches Kino läuft. Im Südural gab es 1957 eine schwere radioaktive Katastrophe, die als drittschwerste nach Tschernobyl und Fukushima eingestuft wird. Regisseur Sebastian Mez war mit einer Kollegin und einer kleinen Kamera vor Ort und hat in schönen Schwarzweißbildern einen Ort des Grauens eingefangen, an dem die Menschen immer noch irgendwie leben. Von offizieller Seite haben sie nie etwas über die Vorkommnisse erfahren. Doch Heiraten ist für ihre Kinder schwieriger geworden. Denn obwohl niemand dort genaues über die unsichtbare Gefahr weiß, lehnen in entfernteren Dörfern lebende Familien eine Einheirat aus dieser Gegend ab. Sie wollen keine missgebildeten Enkelkinder. Wahrscheinlich haben wir durch diesen Film mehr über dieses radioaktive Gebiet erfahren, als die Menschen, die dort leben und, wie es scheint, als Versuchskaninchen genutzt werden. Der Regisseur erzählte von japanischen Wissenschaftlern, die dort in Schutzanzügen aufgetaucht seien und den Bewohnern erzählt hätten, dass die Verseuchung schlimmer sein als damals in Hiroshima und Nagasaki. Trotzdem hätten wir uns noch mehr Sprache über die Vorkommnisse gewünscht, als den kleinen Text zu Beginn des Filmes. Für alle, die den Film noch anschauen möchten: gleich zu Beginn schnell lesen, der kleine Text verschwindet flott wieder, doch ohne ihn könnte man den Kontext des Films verpassen.

Montag, 11. Februar 2013

Sonntag..Tag 3..Australien, Türkei, Südafrika

Kino Cubix. Alexanderplatz
by Lilly Flowers
      Sich in der warmen Sonne Australiens strecken und den Jungs beim Blödsinn machen zuschauen, dass war ein Sonntagmittag ganz nach unserem Wunsch. Neben uns saß mit sanftem Gesicht und beruhigender Stimme der Großvater, wunderbar gespielt von David Gulpilil, den wir aus „Walkabout“, manch andere aber vielleicht auch aus „Crocodile Dundee“ kennen. Dem Jungen Pete fehlt seine Mutter, sie sei in die Stadt gegangen, um eine Ausbildung zu machen. Doch sie wissen nicht, warum sie nicht, wie versprochen, zurückkehrt. Der Großvater lebt die Traditionen der Aboriginals und versucht sie auch seinem Enkel zu vermitteln. Als das Land, auf dem sie leben, nun nach den Gesetzen der Neu-Australier einer Firma gehört, bricht der zehnjährige Pete mit einem Freund auf, um den Managern den Irrtum zu erklären. Der dadurch entstehende Medienrummel bewegt seine Mutter dazu, sich bei ihm zu melden. Doch sie will nicht das Leben einer Aborigine führen, sie will in die Stadt. Pete muss sich entscheiden, auf dem Land wird er ein Aborigine bleiben, für die Stadt verspricht ihm seine Mutter Einkaufscenter und Computerspiele. Wunderbare Landschaftsaufnahmen korrespondieren gerade besonders in Australien mit diesen unterschiedlichen Lebensentwürfen und der daran hängenden Vorstellung von Besitz und der Verantwortung des Einzelnen für alle anderen Lebewesen. Satellite Boy zeigt dies ohne Schwere und macht Lust aufs Nachdenken über Lebensentwürfe.
      Bei unserem nächsten Film Jîn bestätigte uns das engagiert emotionale Publikumsgespräch mit dem Regisseur Reha Erdem wieder einmal, warum wir so gerne zur Berlinale gehen. Auf die sehr ernsthaft gestellte Frage, warum er seine Protagonistin den verwundeten feindlichen Soldaten nicht hat erschießen lassen, antwortet er, dass er hier eine Entscheidung nach seinen Vorstellungen von Menschlichkeit getroffen hat. Die Hauptfigur ist eine 17-jährige kurdische Frau, die wir kennen lernen, als sie sich heimlich von ihrer Rebellengruppe in den kurdischen Bergen davon stiehlt. Wir sehen sie durch schöne weite Landschaften hetzen. Immer wieder muss sie sich verstecken, denn außer den Tieren des Waldes, will sie niemandem begegnen. Sie versucht, irgendwie in ein normales Leben zurück zu gehen. Doch wo soll sie es finden? Ihre Versuche scheitern auch an der patriarchalen Gesellschaft, in der eine junge Frau ohne Begleitung als sexuelles Freiwild gilt. Da sie kämpfen gelernt hat, kann sie sich wehren, erreicht damit aber auch keine Normalität. Die Menschlichkeit, die sie bereit ist, zu geben, bekommt sie nur selten zurück. Und die friedlich wirkende schöne Landschaft wird durch die Gefahr des Todes immer wieder zerstört.
      Unser letzter Film von heute, Elelwani, zeigt uns Einblicke in die südafrikanische Ethnie der Venda, die kleinste Ethnie des Landes mit ca. 2 Millionen Menschen. Die Tochter möchte sich von ihren Eltern verabschieden und mit ihrem Freund nach Amerika gehen. Doch sie wurde bereits nach der kulturellen Tradion verheiratet, um das Geld für ihre Ausbildung zu erhalten. Um ihre Schwester zu schützen, fügt sie sich in die Ansprüche ihrer Eltern und deren Kultur. Zwischen ernsten Zwängen und humorvollen Bildern, zeigt uns der Film, wie die weibliche Hauptfigur einen eigenen Weg für sich findet. Darauf angesprochen, erzählt uns beim Publikumsgespräch Florence Masebe, die Elelwani spielt, dass es nicht so einfach möglich sei, die kulturellen Entwürfe aus einer anderen Kulturposition heraus zu bewerten. Eine diskutierenswerte Erkenntnis: Wenn jemand vor einem anderen Menschen sein Haupt beugt, kann es dann sein, dass er sich dabei selbst ehrt?
      Wir hatten einen guten Filmtag mit vielen schönen Landschaften und Menschen, die ihr mögliches gutes Leben darin suchen. Doch wie sagte Regisseur Reha Erdem, außerhalb Europas gibt es leider viele ähnliche Konflikte, wie in der Türkei und Kurdistan, die ein selbst gesuchtes Leben unmöglich machen.

Sonntag, 10. Februar 2013

Samstag..Tag 2..Indien, Portugal, Côte d'Ivoire, Spanien

Kino Delphi Deckenleuchte
by Lilly Flowers


      Im Kino Delphi, das mit der schönen Deckenleuchte, hatten wir heute unsere ersten zwei Filme. Und dieses Mal gab es viel sprachliches Mitteilungsbedürfnis. Ach, so ein Unterschied zu den dialogarmen Filmen von gestern. Vor dem Film Kya hua is shahar ko? / What Happened to This City? gab es eine kleine Einführung durch eine Mitarbeiterin des Projekts „Living Archive“, welches sich um die Digitalisierung und Restaurierung dieser Dokumentation von 1986 bemüht hat. Vor zwei Tagen war der Film in seiner gezeigten Form fertig gestellt worden. Die anwesende Regisseurin Deepa Dhanraj erzählte, wie das Filmteam während der Ausschreitungen zwischen Hindus und Muslimen im Jahr 1984 unterwegs war, um diese Zeit der Konflikte aufzunehmen. Deepa Dhanraj benennt es als zeigen des Aufkommens faschistischer Gruppen in der Stadt Hyderabad. Muslime und Hindus greifen sich, nach jahrelangem nebeneinander leben, an. Polizei und Politik fällt nichts besseres ein, als tagelange Ausgangssperren zu verhängen. Damit werden die Menschen von ihren Arbeitsplätzen und dem Lebensmitteleinkauf abgeschnitten. Es gibt einige Tote und Geschäfte werden geplündert und angezündet. Obwohl wir uns sehr weit entfernt von dem Ort und der Zeit fühlen, fängt uns der Film mit seiner intensiven Realität ein.
      Nach dem Film durften wir gleich sitzen bleiben und auf Terra de ninguém / No Man's Land warten. Vor ein paar Jahren hatte uns ein Lissaboner Jurist erzählt, er schreibe ein Buch über die Geschichte Portugals. Wir waren begeistert, da uns das Ende als Kolonialmacht, die Nelkenrevolution und die Aufarbeitung dieser Geschehnisse im Zusammenhang mit der Militärdiktatur immer unklar geblieben war. Doch als wir den zukünftigen Autor danach fragten, kam ein entschiedenes „aber nein“, niemals würde er über diesen Teil der Geschichte schreiben, dass sei ein viel zu heißes Eisen und kein Thema, über das jemand in Portugal sprechen wollen würde. Und jetzt dieser Film. In kurzen Sequenzen, die über fünf Tage gezählt werden, erzählt ein Mann, in einem leeren Haus auf einem Stuhl sitzend, aus seinem Leben. Er berichtet von seinen Gräueltaten während seiner Stationierung in der portugiesischen Kolonie Angola, seinen Jobs als Söldner, Leibwächter und Auftragsmörder. Und zum Schluss des Filmes erfahren wir, dass er ein Obdachloser ist, der unter einer Eisenbahnbrücke lebt. Er hat so faszinierend erzählt, doch stimmt das, was er gesagt hat? Wem glauben wir welche Geschichte? Wo ist hier die Wahrheit? Eine tolle Doku.
      Nachdenklich fahren wir zum Cubix am Alex und treffen auf Burn it up Djassa, ein Film der bei der jungen Bevölkerung der Elfenbeinküste als lustiger Film sehr gut ankommt, wie der Produzent nach dem Film erzählte. Sie haben mit einem kleinen Budget in kurzer Zeit gedreht und freuen sich, dass sie bei vielen Festivals eingeladen werden. Erzählt wird eine typische Geschichte des Landes, wie uns der Produzent erzählt. Leider konnten weitere Mitglieder des Filmkollektivs noch nicht anwesend sein, da es Einreiseschwierigkeiten gab...ach ja, wieder mal die Behörden. Der Film erzählt die Geschichte einer Familie ohne Vater, die Mutter ist nicht anwesend und der als Polizist Arbeitende kümmert sich um seine Schwester und den Bruder. Jung und noch nicht bereit, sich einzupassen, kommt es zum Brudermord. Ein guter Film und ein sympathischer Produzent.
      Das Gleiche gilt für die Crew und den Cast des nächsten Films, La Plaga / The Plague. Nach dem Film waren sie glücklich zu zwölft auf dem Podium, wir haben es ihnen gegönnt. Vier Jahre hat es gedauert, bis der Film nun zu uns kam. In der ländlichen Umgebung von Barcelona haben die Protagonisten viel von sich selbst gespielt: eine Altenpflegerin, ein Landwirt, ein Hilfsarbeiter und die alte Nachbarin, die ins Pflegeheim musste. Ihr Leben greift ineinander und manchmal läuft es nicht so schlecht, dann wieder schlechter. Doch kleine Freundschaften und Zuneigungen helfen in einem Leben, das aus dem Leben leben besteht.
      Wir sind sehr glücklich mit unserer heutigen Auswahl und gehen nun mit einem satten Gefühl ins Bett, um uns für morgen zu wappnen.

Samstag, 9. Februar 2013

Freitag..Tag 1..Jordanien, Ägypten, Südafrika

Kino Arsenal
by Lilly Flowers


     Unsere ersten drei Filme haben wir nun hinter uns. Überraschend einig waren sich die Regisseure darin, ihre Figuren unter Sprachlosigkeit leiden zu lassen, wir litten mit. In Lamma shoftak / When I Saw You fehlt dem elfjährigen Jungen, der mit seiner Mutter in einem Flüchtlingslager angekommen ist, sein gewohntes Zuhause, er hat kein eigenes Bad, schlechtes Essen und einen mieser Lehrer. Er vermisst seinen Vater, will weg und haut ab. Im Wald wird er von ein paar Männern aufgelesen und in ein Rebellencamp mitgenommen. Seine Mutter findet ihn und bleibt auch dort. In schönen Bildern, die der Kargheit der Situation widersprechen, trifft im Camp die Lagerfeuerromantik auf körperlichen Drill. Doch auch hier hält es der Junge nicht aus, findet nicht, was ihm fehlt und haut wieder ab.
     In dem in Kairo spielenden Al-Khoroug Lel-Nahar / Coming Forth By Day lebt die erwachsene Tochter bei ihren Eltern und pflegt mit der Mutter den bettlägrigen Vater. In warmen Farbtönen, die jedoch die angespannte Atmosphäre nicht verbergen können, sehen wir die enge Wohnung mit den Betten und dem Fernseher. Das Leben der zwei Frauen dreht sich um die Pflege des Vaters. Doch in ihren Augen glimmen andere Wünsche. Doch außer einem einsamen Streifzug durch die Stadt, scheint für die Tochter kein außerhalb der Situation möglich. Und obwohl die Stadt viele Menschen und Geräusche bietet, findet sich für die Drei dort kein Platz.
     Fynbos ist der Name einer Villa mit weitem Gelände in den Hügeln von Südafrika. Diese muss der Immobilienhändler Richard schnell verkaufen, um durch Schulden sein bisheriges Leben nicht zu verlieren. Das Haus ist schön, das Gelände ist schön, doch das Grundstück liegt sehr einsam. In dem langsam begonnen Setting wird das weiße und das schwarze Südafrika deutlich, als Meryl, Richards Frau, verschwindet. Zu den auf dem Grundstück befindlichen Weißen, kommen schwarze Polizisten. Die Villa liegt weit außerhalb, in einer Gegend mit meist schwarzen Einwohnern. Doch wieso ist die Frau verschwunden? Schon davor hat sie sich uns Zuschauern entwunden, passte sich nicht ein in den Verlauf. Unser Helfersyndrom poppte auf, was hat sie denn? Wir sehen ja auch viele Probleme, doch gibt es keinen anderen Weg, sie zu lösen, als sich aus dem Verständnis der anderen auszuklinken?
     Wir werden jetzt beim Einschlafen noch etwas über die Botschaften der Filme nachdenken. Doch unser Ratschlag, so ad hoc: sagt doch eurem Gegenüber, was euch bewegt - und du, Gegenüber, hör auch zu.

Donnerstag, 7. Februar 2013

Donnerstag..Tag 0..oh, heute gehts schon los

Image by Lilly Flowers

U 5, Schillingstraße raus, International rein, an die Schlange ran und dann bekommen wir schon wieder alle gewünschten Karten. Oje, uns steht eine schlafarme Woche bevor. Doch wir scharren gleichzeitig mit den Hufen, denn morgen können wir endlich mit unserem Tag 1 starten. So ist heute noch Zeit, die Wäsche zu waschen, die Schuhe zu putzen und Äpfel, Karotten und Schoki einzukaufen. Und da die Prinzessinengärten wieder vor dem Arsenal sein werden, gibt es für den nötigen Kaffee und lecker Brötchen schon mal eine gute Anlaufstelle. Und jetzt, husch, früh ins Bett, damit morgen der dunkle Wahnsinn die Zeit zerbröseln lassen kann.

Mittwoch, 6. Februar 2013

Mittwoch..Tag minus 1..Anstehen und Zeitung lesen

Lounge des Kino International
Image by Lilly Flowers
Auch so ein Nebeneffekt der Berlinale. Während der zwei Stunden Kartenkaufwartezeit kommen wir mal ausführlich zum Zeitung lesen. Leider erscheint uns unsere diesjährige Filmauswahl nun genau so trübe und trist, wie die aktuellen Nachrichten. Geht es tatsächlich immer weiter bergab mit der Menschheit, oder gibt es gerade nur kein Interesse und keine Filme zu verübten Freundlichkeiten und erkämpften Menschenrechten? Werden dieses Jahr deshalb so viele Filme aus Griechenland, Portugal und Spanien gezeigt, weil dort innerhalb der EU die Grenzen zwischen Arm und Reich am wirkungsvollsten hervortreten? Und wie hängt das damit zusammen, dass wenig Filme vom afrikanischen Kontinent ausgewählt wurden? Wir werden es sehen ... vielleicht sind ja bei der diesjährigen Filmauswahl auch nur die verschriftlichten Inhaltsangaben aus einem unbemerkt depressiven Computer entfleucht ... wir suchen schnell nach dem täglichen Zeitungscomic.

Dienstag, 5. Februar 2013

Dienstag..Tag minus 2..Langsam, aber sicher, gehts wieder los

Kino International im Fenster des Café Moskau 
Image by Lilly Flowers

Heute standen wir für die ersten drei echten Karten unseres schnellen Urlaubs in der dunklen weiten Welt an. Gut, gestern hatten wir schon welche für den Publikumstag ergattert, doch das zählt ja nicht wirklich. Es gab dann beim Schlange stehen im International endlich auch die erhofften ersten Verwerfungen zwischen EinsteigerInnen, Ignoranten und KennerInnen. Wirklich getroffen hat uns dass, da wir leider wieder mal so spät dran waren, dass dreißig Leute vor uns standen. Wie sich dann bei der Frau vor uns an der Kasse heraus stellte - wir knisterten bereits nervös mit unserem großen Wunschzettel - hatte die zwei Wartestunden auf ihrem Handy Patiencen Legende keine Ahnung, wann die von ihr gewünschten Wettbewerbsfilme denn am Sonntag genau gezeigt würden. Und Nummer, wieso Nummer? Ach, die Zahlen im Programmheft sind Nummern, die helfen können, die gewünschten Karten zu bekommen. Warum sagt einem das auch niemand? - Hiermit sei es kundgetan! Vorher gabs bereits einen gebräunt-gegelten Schönling, der eine kugeläugige smartphonetippende Frau im Schlepptau hatte. Auf unsere Frage, warum sie sich in unsere Schlange einzuschummeln versuchen würden, kam ein großes Gestöhne zwischen seinen weißen Zähnen über seine makellosen Lippen: bei dem Durcheinander hier, wisse man ja nicht, wo vorne und wo hinten sei. Der Mann zwei Personen vor uns fand sich dann durchaus fähig genug, dem betrübten Sunnyboy zu helfen und an das Ende der Reihe zu verweisen. Dort lies er dann die junge smartphoneliebende Pferdeschwanzfrau stehen und verschwand.

Wir hatten letztendlich noch ein Happyend - wir bekamen alle gewünschten Karten für Freitag. Die Frage, die uns während des ganzen Schlangestehen quälte, konnten wir heute jedoch noch nicht klären: Wenn wir Jurypräsident der Berlinale werden, dürfen wir dann auch unseren neuesten Film als Eröffnungsfilm zeigen? Aufgefallen an den Erwähnungen von "The Grandmaster" war uns, dass die Presse immer dazu schreibt, dass der Film des Präsidenten Wong Kar Wai nicht am Wettbewerb teilnimmt. Wir stehen ja nicht so auf diese Kampfkunstfilme, die die Kampfkünstler beim ausdauernden Kampfkünsteln portraitieren...und wir glauben auch nicht daran, dass sich Präsidenten selbst wählen würden. Ts, ts, ts.