Mittwoch, 20. Februar 2013

Sonntag..Tag 10..Tschechoslowakei, Russland, Griechenland

by Lilly Flowers
     Nun ist er vorbei, unser letzter Urlaubstag dieser Berlinale. Zuerst haben wir uns an den aussagekräftigen Dialogen von Hangmen Also Die! / Auch Henker sterben erfreut. Es war Bertolt Brechts einzige Hollywood-Arbeit, und eine, in der er mit dem Regisseur Fritz Lang zusammen gearbeitet hat. Mit anderen vor den Nazis in die USA Geflohenen, u.a. Hanns Eisler, der die Musik schrieb, realisierten sie diesen Anfang 1943 fertig gestellten Film über das Attentat auf den dritten Mannes des Nationalsozialismus, Heydrich, Ende Mai 1942 in Prag. Wie in der realen Geschichte, stirbt Heydrich eine Woche später an den Folgen des Attentats. Sonst entwirft der Film einen erfundenen Hergang der Geschichte und verbindet spannend einen Attentäter mit seinen Freunden im Untergrund und seinem normalen Leben, den politischen Einschätzungen der Zivilbevölkerung und die Hoffnung und Aufforderung zu einem gemeinsamen Handeln gegen die Nazis. In einem schlauen Wechselspiel können die Partisanen den Nazis einen Kollaborateur als Attentäter anbieten, diese akzeptieren ihn aus Eigeninteresse, durchblicken aber das Spiel. Ein offenes Ende über die brutale Gefährlichkeit der Nazis und die Notwendigkeit von gemeinsamem Widerstand. Die Uraufführung von Hangmen Also Die! war am 26.3.1943 in Los Angeles, der Kinostart in New York am 15.4.1943. Die Erstaufführung in Europa, Paris, erfolgte am 27.8.1947. In der BRD war die Erstaufführung am 3.4.1958 in Wiesbaden, im BRD-TV (WDR) am 23.10.1974 und im DDR-TV am 9.9.1984.
     Unabhängige Gewerkschaften sind in Russland eine Alternative zu der an die Arbeitgeber und den Staat angepassten offiziellen Gewerkschaft. Regisseurin Svetlana Baskova reiste ein paar Jahre durch Russland und hat sich mit Mitgliedern dieser unabhängigen Gewerkschaften, die meist nur aus 200 - 300 Beteiligten bestehen, unterhalten. Daraus entstand ihr Film Za Marksa... / For Marx..., ein Thriller über die Bemühungen und die Solidarität der Menschen in diesen unabhängigen Gewerkschaften. Bedroht fühlen sie sich nicht und doch werden in unserer Geschichte die Organisatoren eines Streiks ermordet. Zwei Menschen sind tot, später noch mehr und die Polizei nimmt es zu Protokoll. Das war es dann aber auch schon von staatlicher Seite. Der Gegenspieler im Film ist ein arroganter, ungebildeter, jähzorniger Kapitalist, den Karrieristen in allem unterstützen, um selbst ein Stück vom Kuchen ab zu bekommen. Endlich gesprochene Inhalte, endlich auch mal dreckige Bilder - der nackte Mann unter der gammeligen Fabrikdusche ist faszinierend ästhetisch inszeniert - und endlich mal keine Weichzeichnerromantik - oh, haben wir das vermisst. (Wir hätten gerne ein Plakat von der Duschszene). Anschauen, und nicht nur wegen dem Titel.
     Auf unseren allerletzten diesjährigen Berlinalefilm I Kóri / The Daughter waren wir schon lange gespannt und machten uns dann spät abends nochmal auf den Weg ins Kino. Eine Tochter in der Pubertät vermisst ihren Vater, den sie drei Tage die Woche sieht, sonst lebt sie bei der Mutter. Doch dann ist er einfach nicht mehr da, das Schloss seiner Schreinerei ist ausgetauscht. So schleicht sie sich hinten über die Mauer rein. Auf der Suche nach dem Vater schlendert sie dann durch die Stadt, in der auch Demonstrationen stattfinden. Da wir in Griechenland sind, wissen wir, dass es dabei um die Wirtschaftskrise geht. Langsam erfährt die Tochter, dass ihr Vater Schulden hat und sein Geschäftspartner ihn wohl betrogen hat. Sie entführt dessen Sohn, die beiden kommen sich näher und gleichzeitig bleibt der kleine Junge ihr Feind, sein Vater hält ihr den Vater vor. Sie droht, den Jungen in der Schreinerei zu zersägen, wenn sie nicht das Geld für ihren Vater bekommt. Uns tut dieser Teenager leid, weder Vater noch Mutter scheint sich für die Tochter zu interessieren, geschweige denn auf gleicher Ebene mit ihr zu sprechen. Sie ist ganz allein auf sich gestellt, ihre Eltern geben ihr keine Erklärungen, obwohl sie die Tochter in Abhängigkeit von sich sehen. Als es zum Showdown kommt, stehen Mutter und Vater verständnislos vor der Tür der Schreinerei, der Vater geht hinein, die Schreinerei geht in Flammen auf und schon ist der Film fast zu Ende. 
     Ein weiterer wortkarger Film am Schluss und so fügt sich der Kreis zu unserem ersten Berlinalefilm 2013. Wir hoffen, dass es 2014 mehr kämpferische Bewegungen und Widerstand in den Berlinalefilmen geben wird. Und bitte, ohne diese Romantisierung durch Weichzeichner und staubfreies Leben, dass schmälert jeden Erkenntnisgewinn. Dass es einen Unterschied zwischen Filmen und Leben gibt, wissen wir auch so.

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