Sonntag, 17. Februar 2013

Samstag..Tag 9..Bosnien und Herzegowina / Serbien / Deutschland, Volksrepublik China, Bosnien und Herzegowina

by Lilly Flowers
     Heute hatten wir schweres Programm mit den Folgen des Jugoslawienkrieges, dazwischen gab es ein Ehedrama aus China. In Krugovi/Circles überrascht ein Soldat während des Krieges seinen Vater und seine Freundin mit einem Kurzurlaub. Doch wegen einer Zigarettenschachtel kommt es zu Identitätskonflikten. Der Soldat greift ein, alle anderen schauen weg. Zuerst tritt die aggressive Macht der Soldaten gegen den muslimischen Kioskbesitzer auf und dann die tödliche Macht von drei Schlägern gegen Einen. Auf dem belebten Platz schauen alle weg, sie trauen sich nicht, sich gegen die Macht von drei Soldaten zu positionieren. Doch es bleibt in ihren Knochen stecken. Der Film spielt in der Situation zwölf Jahre danach. Der Vater trauert einsam um seinen Sohn, die Freundin flieht vor ihren gewalttätigen Ehemann und der Kioskbesitzer fühlt sich für sein gerettetes Leben in der Pflicht. Wo kann hier Menschlichkeit anfangen? Dem Vater gelingt es, indem er den Sohn eines Mörders seines Sohnes in seiner Nähe akzeptiert und gemeinsam mit ihm trauert.
     Mo Sheng / Forgetting to Know You erzählt eine typische chinesische Geschichte, wie uns die Regisseurin Quan Ling nach dem Film erzählt. Da auf der Berlinale die Weltpremiere ist, könne sie uns auch noch nicht sagen, wie der Film in China aufgenommen wird. Das sie ihre Figuren nicht mochte, hat sie festgestellt. Das haben wir dem Film aber nicht angesehen. Sie taten uns leid, denn auch hier, wie in vielen anderen Teilen der in dieser Berlinale gesehenen Welt,  sie bekommen den Mund nicht auf. Menschen, warum sprecht ihr nicht zueinander? Überwindet doch die Angst voreinander und macht niemandem Angst. Sie und er sind verheiratet, haben ein Mädchen. Sie und er checken sich gegenseitig die Handys. Aus Eifersucht, sagt die Regisseurin und dies sei typisch chinesisch, hm, und sie deutet es als Liebe, hm. Kontrollsucht ist uns in diesem Zusammenhang auch schon mal begegnet. Er vergewaltigt sie, sie besorgt ihm Geld, damit er ein eigenes Geschäft aufmachen kann. Eine nie langweilig dahinfließende Geschichte mit stimmigen Farben und ruhigen Bildeinstellungen, ohne das die Bilder zu sauber wirken. Doch ein paar schrille Schreie hätten einen Superfilm daraus gemacht. Zum Thema kam die Regisseurin und Drehbuchautorin über die vielen Single-Anzeigen von Frauen, geschieden, mit Kind, in den chinesischen Zeitungen.
     Auf den letzten Film Obrana I Zastita / A Stranger hatten wir heute am meisten gesetzt. Unsere beiden Sitznachbarn auch, wie wir ihren Gesprächen entnahmen. Doch dann schnarchte der Herr neben mir zwischendurch immer wieder Mal ganz deutlich. Sie reden und wiederholen diese Allerweltssprüche. Ein Schneckentempo an Gesprächen, die keinen heißen Brei ansprechen wollen. Er will auf die Beerdigung, doch was denken die Leute von ihm, gibt es schlechte Gerüchte über ihn, die er nicht kennt? Will er seine menschliche Pflicht erfüllen? Seine Umgebung scheint nicht so kompliziert an die Welt heranzugehen. Doch er denkt zwischendurch ans Sterben. Und obwohl wir nichts über seine Vergangenheit erfahren, finden wir, dass sein Sohn ihn respektlos behandelt. Es könnte schon sein, dass dieser Film den größten Erkenntnisgewinn des Abends brachte. Vielleicht auch gerade wegen seiner in eine kleine Geschichte gepackten Unschlüssigkeit. Wir hatten die Augen immer offen.
     Und die Ohren auch, als wieder mal so ein lauter Satz im Kinosaal neben uns platziert wurde, der die bösen Leute treffen sollte, die nicht aufrücken und einzelne Sitze neben sich frei lassen. Das kann doch nur von Leuten kommen, die immer in Zweiermustern denken. Während der Berlinale gehen wir in einen Film und nicht zum Pärchenevent. Wenn ihr da ein idealplaziertes Zweierkuscheln wollt, müsst ihr halt früher anstehen. Warum sollen wir unsere persönlichen Distanzwünsche aufgeben, nur weil es euch gerade in euren Nähekram passt? Ihr seid ja dann auch die Monster, die während des Films mit ihrer Chipstüte rascheln.

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