Freitag, 15. Februar 2013

Donnerstag..Tag 7..Griechenland, Japan, Brasilien, Italien

Bänke zwischen Kino und Kino
by Lilly Flowers
     Wie schon die letzten Tage, war heute auch wieder viel Landschaft in unserem Programm. Zuerst tauchten wir mit Sto Lyko / To the Wolf in regnerische griechische Berge mit schönen Aufnahmen von nebeligen Wäldern und älteren, noch in den Bergdörfern lebenden, Menschen ein. Seit 2010 haben die beiden Regisseure Christina Koutsospyrou und Aran Hughes die Menschen aus dem Dorf des Vaters von Christina begleitet. Überaus aufgeschlossen dieser Dokumentation gegenüber, zeigten sie viel von ihrem einfachen Leben des Arbeitens, Rauchens, Streitens und Trinkens. Die tristen Zustände dieser noch dort lebenden älteren Bevölkerung fängt der Film in liebevoll gemalten Bildern ein. Arm und nicht besonders geschickt im Umgang mit Geld, versuchen sie, ihr seit Jahrzehnten gewohntes Leben gemeinsam zu meistern. Ein schönes Portrait, dass die griechische Krise nicht als Hauptbezugspunkt nutzen möchte, sie jedoch im Hintergrund mitschwingen lässt.
      In das Japan nach dem Erdbeben führt uns Senzo ni naru / Roots von Kaoru Ikeya. Er porträtiert den 79-jährigen Naoshi, der in den Fluten des Tsunami seinen Sohn verloren hat. Sein Haus wurde jedoch nur bis zum 2. Stock überflutet und ist sonst stehen geblieben. Er möchte dort weiter wohnen und seinem Sohn gedenken. Sehr agil und drahtig, arbeitet er immer wieder als Holzfäller, sägt sehr gekonnt die beschädigten Bäume um und entschließt sich letztendlich doch, aus diesen Bäumen ein neues Haus für sich zu bauen. In dieser Dokumentation erzählt der Protagonist Naoshi freizügig von sich uns seiner Widerspenstigkeit, die ihn sein Leben lang geprägt hat und während der Dreharbeiten dazu führt, dass ihn seine Frau verlässt. Doch wie der Regisseur nach dem Film so schön sagt, wer weiß, was daraus noch wird. Er wollte mit dieser Dokumentation den Aufbruch nach dem Tsunami und Fukushima zeigen, deshalb hat er andere Bilder gesucht und dabei diesen vor Leben sprühenden älteren Herrn gefunden.
      Zuerst hatten wir ja noch etwas bedenken, in einen Film über einen Künstler, der von dem Neffen des Künstlers gedreht wurde, zu gehen. Doch glücklicherweise haben wir es getan und uns über den titelgebenden Hélio Oiticica informiert. Na ja, informiert, wir konnten in die vielen Formen seines unterschiedlichen Schaffens einblicken und bekamen geradezu Lust, auch mal Kreativität auszuprobieren. Doch er hat es gemacht und uns viele Blickwinkel hinterlassen, aus dessen Material große Teile des Films stammen. Regisseur Cesar Oiticica Filho erzählt uns, dass es nicht so einfach war, die brasilianische Geschichte mit seiner Militärdiktatur in den Film einzuweben. Von dieser Zeit gäbe es nichts in den brasilianischen Archiven und so hätte er sich mit Eisenstein ausgeholfen. Zu Anfang des Film sieht man, wie der Künstler sich in einer anarchistischen Gruppe engagiert. Im Abspann sind die vielen Film- und Kunstzitate aufgelistet, sehr spannend, da hätten wir gerne eine Liste davon. Und nebenbei noch was zum erfreulichen Abspann: kein Petrobras als Sponsor.
    Und jetzt dachten wir, ach, Sardinien, so eine schöne Insel kann doch nicht einmal vom größten europäischen Waffenerprobungsgelände in Mitleidenschaft gezogen werden. Nicht wirklich und doch auch, man sieht es nicht. Wenn es knallt und explodiert, hört man es vielleicht. Doch die Radioaktivität im Boden und in den Tieren und Menschen, sieht man nicht. Das kennen wir auch seit Tschernobyl. Doch die Menschen dort erleben es ohne Hilfe seitens des Militärs, und wir, wollen wir diese Waffen überhaupt? In Materia Oscura / Dark Matter wird ohne Kommentar dokumentiert, wir sehen wieder viel Landschaft, die auch mal in die Luft geht. Wie die Regisseure Massimo D'Anolfi und Martina Parenti an die blockbustermäßigen Archivaufnahmen des Militärs gekommen sind, hätte uns noch interessiert, doch leider mussten sie bereits vor Ende des Films zum Bahnhof.
     „Filme sind nicht da, um etwas zu erklären, sondern um zu verwirren“, diesen Satz haben wir heute aus dem Arsenal mitgenommen. Ja, gerne doch, sagen wir dazu, wenn die Verwirrung bei uns ankommt und wir darüber zu Erkenntnissen gelangen.

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