Montag, 11. Februar 2013

Sonntag..Tag 3..Australien, Türkei, Südafrika

Kino Cubix. Alexanderplatz
by Lilly Flowers
      Sich in der warmen Sonne Australiens strecken und den Jungs beim Blödsinn machen zuschauen, dass war ein Sonntagmittag ganz nach unserem Wunsch. Neben uns saß mit sanftem Gesicht und beruhigender Stimme der Großvater, wunderbar gespielt von David Gulpilil, den wir aus „Walkabout“, manch andere aber vielleicht auch aus „Crocodile Dundee“ kennen. Dem Jungen Pete fehlt seine Mutter, sie sei in die Stadt gegangen, um eine Ausbildung zu machen. Doch sie wissen nicht, warum sie nicht, wie versprochen, zurückkehrt. Der Großvater lebt die Traditionen der Aboriginals und versucht sie auch seinem Enkel zu vermitteln. Als das Land, auf dem sie leben, nun nach den Gesetzen der Neu-Australier einer Firma gehört, bricht der zehnjährige Pete mit einem Freund auf, um den Managern den Irrtum zu erklären. Der dadurch entstehende Medienrummel bewegt seine Mutter dazu, sich bei ihm zu melden. Doch sie will nicht das Leben einer Aborigine führen, sie will in die Stadt. Pete muss sich entscheiden, auf dem Land wird er ein Aborigine bleiben, für die Stadt verspricht ihm seine Mutter Einkaufscenter und Computerspiele. Wunderbare Landschaftsaufnahmen korrespondieren gerade besonders in Australien mit diesen unterschiedlichen Lebensentwürfen und der daran hängenden Vorstellung von Besitz und der Verantwortung des Einzelnen für alle anderen Lebewesen. Satellite Boy zeigt dies ohne Schwere und macht Lust aufs Nachdenken über Lebensentwürfe.
      Bei unserem nächsten Film Jîn bestätigte uns das engagiert emotionale Publikumsgespräch mit dem Regisseur Reha Erdem wieder einmal, warum wir so gerne zur Berlinale gehen. Auf die sehr ernsthaft gestellte Frage, warum er seine Protagonistin den verwundeten feindlichen Soldaten nicht hat erschießen lassen, antwortet er, dass er hier eine Entscheidung nach seinen Vorstellungen von Menschlichkeit getroffen hat. Die Hauptfigur ist eine 17-jährige kurdische Frau, die wir kennen lernen, als sie sich heimlich von ihrer Rebellengruppe in den kurdischen Bergen davon stiehlt. Wir sehen sie durch schöne weite Landschaften hetzen. Immer wieder muss sie sich verstecken, denn außer den Tieren des Waldes, will sie niemandem begegnen. Sie versucht, irgendwie in ein normales Leben zurück zu gehen. Doch wo soll sie es finden? Ihre Versuche scheitern auch an der patriarchalen Gesellschaft, in der eine junge Frau ohne Begleitung als sexuelles Freiwild gilt. Da sie kämpfen gelernt hat, kann sie sich wehren, erreicht damit aber auch keine Normalität. Die Menschlichkeit, die sie bereit ist, zu geben, bekommt sie nur selten zurück. Und die friedlich wirkende schöne Landschaft wird durch die Gefahr des Todes immer wieder zerstört.
      Unser letzter Film von heute, Elelwani, zeigt uns Einblicke in die südafrikanische Ethnie der Venda, die kleinste Ethnie des Landes mit ca. 2 Millionen Menschen. Die Tochter möchte sich von ihren Eltern verabschieden und mit ihrem Freund nach Amerika gehen. Doch sie wurde bereits nach der kulturellen Tradion verheiratet, um das Geld für ihre Ausbildung zu erhalten. Um ihre Schwester zu schützen, fügt sie sich in die Ansprüche ihrer Eltern und deren Kultur. Zwischen ernsten Zwängen und humorvollen Bildern, zeigt uns der Film, wie die weibliche Hauptfigur einen eigenen Weg für sich findet. Darauf angesprochen, erzählt uns beim Publikumsgespräch Florence Masebe, die Elelwani spielt, dass es nicht so einfach möglich sei, die kulturellen Entwürfe aus einer anderen Kulturposition heraus zu bewerten. Eine diskutierenswerte Erkenntnis: Wenn jemand vor einem anderen Menschen sein Haupt beugt, kann es dann sein, dass er sich dabei selbst ehrt?
      Wir hatten einen guten Filmtag mit vielen schönen Landschaften und Menschen, die ihr mögliches gutes Leben darin suchen. Doch wie sagte Regisseur Reha Erdem, außerhalb Europas gibt es leider viele ähnliche Konflikte, wie in der Türkei und Kurdistan, die ein selbst gesuchtes Leben unmöglich machen.

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