Donnerstag, 14. Februar 2013

Mittwoch..Tag 6..Thailand, Guinea-Bissau, Indien

by Lilly Flowers
     Heute Nachmittag fingen wir mit einem politischen Landschaftsfilm an, da hatten wir ja schon einige diese Berlinale. In Boundary / Fahtum Pandinsoong führt uns der gesellschaftspolitisch sehr interessierte Regisseur Nontawat Numbenchapol, den wir in einem engagierten Publikumsgespräch nach dem Film kennenlernen durften, in das thailändische Grenzgebiet zu Kambodscha. Aus diesen ländlichen Gegenden kommen die „Rothemden“, die im politischen System von Thailand den „Gelbhemden“ gegenüberstehen. Letztere stehen für konservative Haltungen mit dem Wunsch, das Königreich zurück zu bekommen. In der heutigen Zeit, mit den schon lange vorhandenen politischen Spannungen, fährt er mit einem vom Militärdienst zurückkehrenden Soldaten, in dessen Dorf an der Grenze zu Kambodscha, in der Nähe des von beiden Staaten beanspruchten hinduistischen Tempels Prasat Preah Vihea. Durch die filmische Dreiteilung in Bangkok als Ausgangspunkt der Gelbhemden, die Reise und das Dorf mit den Rothemden, erfahren wir viel über die unruhige Geschichte von Thailand. Der Soldat erzählt uns dabei aus seinem Leben: er war zwischen seinem 8. und 12. Lebensjahr buddhistischer Novize und verließ dann das Kloster wieder, bei der Verlosung zum Militärdienst hatte er Pech und wurde ausgewählt. Nun kehrt er in sein Dorf zurück, dessen Umgebung mit Landminen durchsetzt ist. Das Dorf liegt in der Nähe des Tempels, der zum Weltkulturerbe gehört und von Grenzkonflikten geprägt ist, die aus gegenseitigen Vorurteilen zwischen Thailändern und Kambodschanern herrühren. Als er einen Teil in Kambodscha filmte, gab sich der Regisseur als US-Amerikaner mit chinesischen Wurzeln aus, um überhaupt drehen zu können.
      Unser nächster Film A Batalha de Tabatô / The Battle of Tabatô war eigentlich toll, wäre da nicht der Regisseur doch noch zu dieser Weltpremiere seines Films aufgetaucht. Er wollte eigentlich auch schnell wieder weg, hätten wir ihn doch lassen. Irgendwie war er vielleicht krank, vertrug ein Medikament nicht oder hatte eine Allergie: er kratzte sich die ganze Zeit und beantwortete die Fragen zuerst mit philosophischen Allgemeinplätzen und dem Verweis darauf, dass die Vergangenheit und die Zukunft der Menschheit in Afrika liegt. Über die gestellten Fragen nach dem Film wollte er nur sagen, dass sich die Geschichte einfach so entwickelt hat und er eigentlich nichts dazu sagen kann. Wir hatten das Gefühl, mehr in dem Film entdeckt zu haben, als er kratzenderweise Beantworten wollte. Warum er die Frau hat sterben lassen, interessierte einen Zuschauer, es hätte doch genau so gut eine Ziege sein können. Der Regisseur schien sich nicht wirklich an den Inhalt seiner Weltpremiere zu erinnern und meinte nur, das sei halt so gekommen und Kinder würden den Film verstehen. Wir sollten ihn doch auch einfach verstehen, so wie er ist. Nun, die Geschichte geht grob so: Eine Lehrerin in Guinea-Bissau will einen bekannten Musiker heiraten und bittet ihren in Portugal lebenden Vater, sie dafür zu besuchen. Er lebt mit seiner Frau seit einigen Jahrzehnten nicht mehr dort, nur ihre beiden Töchter leben in Guinea-Bissau. Er fragt seine Tochter misstrauisch, warum sie ihn bei ihrer Hochzeit dabei haben will und nicht die Mutter. Sie verweist auf irgendeine alte Geschichte, die noch welche klären wollen und er bekommt flashbacks. Seine militärische Vergangenheit scheint den Vater wieder einzuholen, Gespräche dazu scheitern an beiden Seiten. Als in einer Radiosendung, an der sein zukünftiger Schwiegersohn beteiligt ist, ein Lied über den Krieg eingespielt wird, fährt er an einen Baum und seine Tochter, bereits im weißen Hochzeitskleid, stirbt. Ansprechende Schwarzweißbilder und menschliche Verhaltensweisen, die Versuchen, den Krieg hinter sich zu lassen, machen den Film sehens- und interpretierenswert - auch wenn uns der Regisseur dazu keine Auskunft geben will und sich mit seinem unruhigen Körper beschäftigen musste, der arme Moderator hat wirklich sein bestes versucht.
     Eine nette Moderatorin mit einer lieben Crew stand nach unserem letzten heutigen Film Powerless vor uns. Schon die von ihnen erzählten Geschichten um diese Dokumentation herum, hätten einen zweiten Film gefüllt. In Kanpur, einer Stadt, die einmal als Manchester von Indien bezeichnet wurde, gibt es unendlich viele Stromausfälle. Es lassen sich die Stunden zählen, in denen die Stromversorgung für Krankenhäuser, Fabriken und das tägliche Leben funktioniert. Da die Wasserversorgung auf Elektropumpen angewiesen ist, gibt es ohne Strom auch kein Wasser. Und die Stadt hat 3 Millionen Einwohner, also etwas weniger als Berlin. Damit nicht alles im Dunkeln und Trockenen liegt, wissen sich die Einwohner illegal zu helfen und zapfen von den wenigen vorhandenen Generatoren und großen Leitungen individuell ihren Strom ab. Einer der „Elektriker“, der ihnen dabei hilft, wird bei seinem Tun und Leben porträtiert. In Interviewpassagen beschreibt er genau, warum sich nichts ändern wird und er sich als Robin Hood entschieden hat, den einfachen Menschen durch „Stromlieferungen“ ihr Leben zu erleichtern. Politik und lokaler Stromkonzern wollen gesetzlich dagegen einschreiten und nehmen ihn auch mal fest. Sie sind aber letztendlich hilflos, da die Menschen ja auch Strom wollen und brauchen und er legal mit den vorhandenen technischen Mitteln nicht lieferbar ist. Das Filmteam, von dem Zwei aus dieser Stadt kommen, erzählte, dass es durchschnittlich 2 - 5 Stunden Strom pro Tag gibt. Und es gibt normalerweise auch keine Touristen in der Stadt, deshalb war die Anwesenheit der Crew um Fahad Mustafa und Deepti Kakkar schon eine Notiz in der Tageszeitung wert. Und, nicht weitersagen: um keine Bestechungsgelder bezahlen zu müssen und doch diese beeindruckend offiziellen Bilder filmen zu können, hat sich die Produzentin für die Nichte eines hochstehenden Beamten ausgegeben...bei Low-Budget-Filmen ist man halt auf gewisse Kniffe angewiesen...

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