Dienstag, 12. Februar 2013

Montag..Tag 4..Niederlande, Korea, Japan, Jordanien, Frankreich, Südural

Vor dem International
by Lilly Flowers
     Die Kurzfilme haben uns heute eine schnellere Reisegeschwindigkeit erlaubt. Und trotzdem schafften wir es nicht auf die andere Seite des Äquators. Unsere Reise fing in den Niederlanden mit einem Krimi an, der wie ein Vorbild für die heutigen Vorabendkrimis wirkte. Ein gewissenhafter Kommissar gibt sich mit einfachen Erklärungen nicht zufrieden, sondern sucht die Geschichte hinter dem geständigen Mörder. Dieser weiß nicht, dass er seine ehemalige Partnerin nicht getötet hat. Ein schwarzweißes Durcheinander zwischen Theater und Geld, mit einem ruhigen Kommissar Lund. Ob der Name für die heutige Serie Pate stand, muss der Fan an anderer Stelle erfragen. Uns brachte Het mysterie van de Mondscheinsonate / Das Geheimnis der Mondscheinsonate, dieser niederländischer Krimi aus dem Jahr 1935, einen kurzweiligen Einstieg in den Tag. Gezeigt wurde er im Rahmen der wiederum tollen Retrospektive, als Regiearbeit von Kurt Gerron, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde. Peter Lorre und Marlene Dietrich hatten versucht, ihn vor den Nazis zu retten und nach Hollywood zu holen, was er wegen seiner Sprache als Schauspieler ablehnte.
     Die Shorts I brachten uns zuerst mit den Love Games in die Republik Korea. Im Gespräch danach zeigte sich die Regisseurin verwundert über die Unkenntnis des Publikums. Wir werden diese Liebesspiele, die sie uns in schönen Zeichnungen ohne Sprache nahebrachte, bei nächster Gelegenheit mal ausprobieren. Obwohl ja dieser Kuchen aus Stein schon etwas merkwürdig schmecken könnte.
     Im zehnminütigen Zeitraffer zeigte uns Uzushio - Seto Current einen Tag in Japan, von Sonnenaufgang bis zum schön leuchtenden Sonnenuntergang, das schaukelnde Wasser im Vordergrund. Schön anzuschauen und doch nicht meditativ, da der Zeitraffer dem Auge keine Entspannung gönnt.
     Auch aus Japan kam der nächste Short The Silent Passenger, Aufnahmen mit lautlos vor sich hin krabbelnden Tieren, denen wir fasziniert bei ihren Bewegungen zuschauten. Der Regisseur Hirofumi Nakamoto erklärte uns seine Beweggründe für den Film damit, Lebewesen in eine fremde Umgebung zu bringen und sie dann bei ihrem Tun zu filmen, ohne dass sich jemand im gleichen Raum befindet. Die armen Tierchen fanden das bestimmt nicht so lustig. Krebse auf dem Teppichboden eines Hotelzimmers, oder im Schirm einer Lampe, Schmetterlinge im Innenraum eines Autos. Die Machtverhältnisse waren da ja wohl schnell geklärt. Was wohl ein Puma zu solch einem Arrangement gesagt hätte?
     In Al Intithar / The Waiting führte uns Regisseur Mario Rizzi vor Augen, wie Frauen in einem syrischen Flüchtlingskamp in Jordanien zurechtkommen. Für diesen kurzen Dokumentarfilm hat er seine 29jährige Protagonistin zweimal dort begleitet. Er entdeckt die wichtige Rolle der Frau, die sich um die Ernährung, Kleidung und Gesundheit der Familie kümmert, während Männer und Kinder darauf warten, dass sich an der Situation etwas ändert. Seine Protagonistin hat drei Kinder, ihr ältester Sohn ist bereits 14 Jahre und somit nur ein Jahr jünger als seine Mutter bei seiner Geburt.
     Auf die Nöte eines Sozialarbeiters in Marseille fokusiert der französische Short La Fugue / The Runaway. Die betreute Jugendliche will sich nicht so einpassen, wie es das Gericht von ihr verlangt. Der Sozialarbeiter will ihr helfen und sucht sie in der Stadt, um wenigstens die schlimmsten Repressalien von ihr fern zu halten. Beide haben ihre Gründe für ihren Lebensentwurf und wir sind froh, dass wir nicht Sozialarbeiter sind und auch keinen an unsere Seite gestellt bekommen haben ... bis jetzt.
     Zum Abschluss des Abends waren wir noch in dem viel gelobten Metamorphosen, der unter der Rubrik Perspektive deutsches Kino läuft. Im Südural gab es 1957 eine schwere radioaktive Katastrophe, die als drittschwerste nach Tschernobyl und Fukushima eingestuft wird. Regisseur Sebastian Mez war mit einer Kollegin und einer kleinen Kamera vor Ort und hat in schönen Schwarzweißbildern einen Ort des Grauens eingefangen, an dem die Menschen immer noch irgendwie leben. Von offizieller Seite haben sie nie etwas über die Vorkommnisse erfahren. Doch Heiraten ist für ihre Kinder schwieriger geworden. Denn obwohl niemand dort genaues über die unsichtbare Gefahr weiß, lehnen in entfernteren Dörfern lebende Familien eine Einheirat aus dieser Gegend ab. Sie wollen keine missgebildeten Enkelkinder. Wahrscheinlich haben wir durch diesen Film mehr über dieses radioaktive Gebiet erfahren, als die Menschen, die dort leben und, wie es scheint, als Versuchskaninchen genutzt werden. Der Regisseur erzählte von japanischen Wissenschaftlern, die dort in Schutzanzügen aufgetaucht seien und den Bewohnern erzählt hätten, dass die Verseuchung schlimmer sein als damals in Hiroshima und Nagasaki. Trotzdem hätten wir uns noch mehr Sprache über die Vorkommnisse gewünscht, als den kleinen Text zu Beginn des Filmes. Für alle, die den Film noch anschauen möchten: gleich zu Beginn schnell lesen, der kleine Text verschwindet flott wieder, doch ohne ihn könnte man den Kontext des Films verpassen.

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