Montag, 27. Februar 2012

Unser Tag "Zehn", unser Letzter: von Portugal und Mosambik in den Tschad und nach Südafrika

Image by Lilly Blume
Für unseren letzten Tag, den Publikumstag, hatten wir sogar schon seit unserem ersten Tag Karten für einen Wettbewerbsfilm: Tabu von Miguel Gomes. Dieser Film hat dann den nach dem erster Leiter des Festivals benannten Alfred-Bauer-Preis erhalten, eine Auszeichnung für Filme, die neue Perspektiven der Filmkunst eröffnen. Wir mussten dafür in den Berlinale-Palast. Der Palast der Republik, ach, er ist von uns gegangen, wäre da schon tausend Mal mehr Palast als dieses mickrige Glasding mit den unbequemen Sitzen, der kleinen Leinwand und der Tatsache, nur einen Sitzzwerg mit Flachfrisur vor sich ertragen zu können. Aber wir wollten den Film unbedingt auf der Berlinale sehen, aus Furcht, dass es eine portugiesisch-brasilianisch-französisch-deutsche Produktion mit der weiten Bearbeitung des Themas der portugiesischen Kolonialherrschaft bestimmt nicht in die Berliner Kinos schafft. Und wenn Tabu es doch einmal ins International - auch eher ein Palast - schaffen würde, denn auf solch eine Leinwand gehört dieser Film, würden wir uns noch einmal in dieses Vergnügen stürzen. Wie soll man Tabu erklären? Schwarzweiß, Bilder von heute, Bilder aus der Kolonialgeschichte Mosambiks, die so unscheinbar die Qualen der Kolonisierten erzählen, wie es wahrscheinlich der Ignoranz der Weißen entsprach. Der weiße Kolonialherr und seine weiße Frau sind wichtig, ihre Liebesbandeleien sind wichtig, ihre öden Parties sind wichtig. Und was mit den Bewohnern des Landes passiert, ist sowas von egal für diese andere Gesellschaft. Diese Leerstelle zeigt der Film als nebenbei mitlaufend bei der Legende vom Krokodil, als Mord, der der Befreiungsbewegung zugeschrieben wird und im heutigen Lissabon, wo eine kapverdianische Hausangestellte sich um die frühere Madame kümmert und von deren abwesendener Tochter dafür bezahlt wird. Dieses letzte Beispiel aus dem Heute zeigt eine kleine Verschiebung der Machverhältnisse. Die senile alte Frau war früher eine begehrte Schönheit und ist an ihrer großen Liebe, einem Liebhaber der Frauen, zerbrochen. Auch dieser ist durch die Idee der romantischen Liebe an ihr zerbrochen und lebt nun in einem Pflegeheim in der Nähe seiner ehemaligen Geliebten. Die kapverdianische Hausangestellte hat mit romantischer Liebe nichts am Hut zu haben, auch die Befreiungsbewegungen aus Mosambik oder Angola können sich der Hingabe in diese Gefühle so nicht leisten, vielleicht sind sie aber auch nur temporärer Ausdruck einer bestimmten kulturellen Ideologie - wer weiß das schon.

Unser nächster Film hat auch was mit vergangener Kolonialzeit zu tun. In Habiter/Construire zeigt die französische Doku-Regisseurin Clémence Ancelin, wie eine französische Firma eine Straße durch den Tschad baut. Dabei berühren die Arbeiten zur ihrer Entstehung das Leben der Menschen, die zukünftig am Rande der Straße wohnen werden. Die Frau, die ihr Korn für ihre Familie immer auf einem Stein per Hand reibt, erhofft sich davon eine elektrische Mühle, wie es sie im Nachbardorf gibt. Der Mann, der nun ein kleines Café für die Bauarbeiter betreibt, wollte eigentlich als Hilfsarbeiter angeheuern, doch es gab keinen Platz mehr für ihn bei diesen verhältnismäßig gut bezahlten Jobs. Ein besser gestellter Bauarbeiter beschreibt seinen luxuriösen Wohncontainer mit fließendem Wasser und Klimaanlage. Eine Zeitaufnahme des Tschad, die eine Veränderung dokumentiert.

Und dann ging es abends zum Cubix, zu unserem letzten Film diesen Jahres: Man On Ground. Und wir hatten sogar noch das Glück, dass uns nach dem Film der engagierte Regisseur Akin Omotoso ein paar Auskünfte gab. Anlass für die Entstehung des Films, für die sich auch die Schauspieler engagierten, waren die rassistischen Morde in Südafrika im Jahr 2008. Als besonders aufwühlend beschrieb Omotoso ein Bild von einem brennenden Menschen aus Mosambik, im Hintergrund sieht man vier Polizisten diese Ermordung ruhig beobachten. Zur Verdeutlichung seiner Kritik am Rassismus, nicht nur in Südafrika, hat er zwei Originalreden an den Anfang und den Schluss seines Films gesetzt, die vorführen, wie Sündenböcke produziert werden. Rassismus als ein Ausdruck von Machtungleichgewicht und Armut: Menschen, die nicht viel haben, bringen Menschen um, die noch weniger haben, aus Angst, irgendwann nichts mehr zu haben. Seine Botschaft: Rassismus kann überall stattfinden, die Begründungen dafür werden sich finden. Ein ambitionierter Film, der in seiner künstlerischen Umsetzung nicht durchgehend überzeugen konnte.

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