Sonntag, 12. Februar 2012

Unser Tag "Zwei": Wärme und Kälte

Image by Betty Schnee
Vor der Wärme des ersten Films war wieder anstehen angesagt. Der rote Teppich teilte am Samstag erstmals den Glasraum des International in drei Teile. Die Kassenzugehörigkeit war damit klarer, doch das Schlängeln wurde durch eine sich kreuzende Reihe schwieriger. Die Frau vor uns hatte Pech, trotzdem sie seit neun Uhr angestanden hatte, bekam sie um elf Uhr ihre einzige Wunschkarte nicht. Wir hatten wieder Glück mit unseren Kartenwünschen und fragten uns, wollen wir in die falschen Filme? Mit Espoir voyage begaben wir uns dann nachmittags auf eine Reise zwischen Burkina Faso und der Elfenbeinküste. Der Regisseur Michel K. Zongo machte sich auf diesen Weg, um Erinnerungen an seinen älteren Bruder zu finden, den er kaum kennenlernen durfte. Mit vierzehn Jahren ging Joanny von zuhause fort, um Arbeit in der Elfenbeinküste zu finden. Irgendwann kam dann die Nachricht bei der Mutter an, dass der Bruder tot sei. Niemand wusste was passiert war, welches Leben er nun geführt hatte, ob er Freunde hatte. Michel K. Zongo versucht den Weg seines Bruders nachzuzeichnen und wir konnten spüren, wie emotional wertvoll es ist, wenn wir wissen, welches Leben unsere Liebsten führen. "Verschwinden lassen" war und ist ein machtvolles Auftreten paramilitärischer Organisationen, ein Schrecken im kleinen Kreis mit großen Wirkungswellen. In diesem Film ist es die scheinbar weniger brutale ökonomische Dimension, die diese Trennung erzwingt und die Zurückgelassenen in Ungewissheit lässt. Man überlege nur, wie sich das auf Arbeitsmigranten in Deutschland übertragen lässt.

Die Tragödie unseres nächsten Films Schiwoi trup zeigte das Missverhältnis zwischen der Macht des Gesetzes und dem Wunsch des Individuum.Der Film nimmt die Ende der zwanziger Jahre in Deutschland geführte Diskussion, ob Scheidungen möglich sein sollten, auf. Der traurige Ehemann, dessen Frau sich auf Dauer in einen anderen Mann verliebt hat und deren Gefühle er akzeptieren kann, da er sich auch für eine andere Frau erwärmt: soll er nun den Strick nehmen, um das Problem zu lösen? Doch seinen Wünschen wäre durch seinen Tod nicht geholfen und er entscheidet sich dagegen. In tragischer Weise spitzt Schiwoi trup dieses Thema moralisch zu, indem die Idee der glücklichen Liebe nichts gilt, wenn das Gesetz nicht zustimmt. Der einzelne Mensch kann noch so integer nach seinen Gefühlen handeln, er wird versagen müssen, wenn die Rechtssprechung gegen ihn steht. Die Frau neben uns heulte sich die Seele aus dem Leib. Die Möglichkeit, die kirchlichen und gesetzlichen Einschränkungen beim Beziehungsleben nicht als nötig zu betrachten, kam etwas später bei weniger konservativ eingestellten Menschen dann doch noch auf...

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