Dienstag, 14. Februar 2012

Unser Tag "Drei": Vier Filme : A luta continua!

Image by Lilly Blume
Vor unseren zwei Tagesabschlussfilmen im Cubix waren wir im CineStar unterwegs. Der Eingang über das Arsenal verspricht zur Berlinale immer eine gute Gelegenheit in angenehmer Atmosphäre abzuhängen und einen guten Kaffee zu sich zu nehmen. Wie letztes Jahr, wurde uns dieser wieder von den Prinzessinnengärten eingeschenkt und wir konnten es uns zwischen Pflanzen und Büchern gemütlich machen. Dann ging es mit Kazoku no kuni zuerst nach Japan. Dieser erste Spielfilm der Dokumentarfilmerin Yang Yonghi nimmt als Thema ihre Familiengeschichte auf, wie auch ihre zwei Dokumentarfilme davor. Die Familie Yonghi lebt als koreanische Minderheit in Japan. Um seinem Sohn eine gute Ausbildung zu verschaffen, verschickt der Vater, ein treuer Anhänger von Kim Il-sung und dessen politischen Systems, ihn im Alter von vierzehn Jahren nach Nordkorea. Die damals sechsjährige Regisseurin lernte ihren Bruder deshalb nie wirklich kennen, auch aufgrund des später eingeführte absolute Ausreiseverbots aus Nordkoreas. Ihr Bruder darf nur wegen einer Krankheit noch einmal kurz zu seiner Familie, er soll seinen Gehirntumor in Japan behandeln lassen. Dieses Wiedersehen eines geliebten und doch fremden Familienmitglieds, der vielleicht nur noch einmal in seinem Leben seine Familie sieht, erzählt diese ruhig und gleichzeitig emotional gespielte Geschichte mit wunderbaren Schauspielern nach einer wahren Begebenheit. Wie im wirklichen Leben, wird der Bruder ohne Angabe von Gründen nach kurzer Zeit plötzlich nach Nordkorea zurückbeordert. Eine Operation erfolgte nicht. Ende offen, wie man an den Tränen der Regisseurin Yang Yonghi sehen konnte, als sie vor uns zum Q & A stand.

Der Dokumentarfilm Call Me Kuchu hätte in seiner Tragik nicht schwerer sein können. Der porträtierte LGBTI-Aktivist David Kato wurde während den Dreharbeiten ermordert. Politiker, Presse und die offizielle Kirche fordern in Uganda immer wieder ein Gesetz ein, dass Homosexualität unter Todesstrafe stellen soll. Nach dem Mord befragt, sagt der Chefredakteur der Zeitschrift Rolling Stone in Kampala ganz offen, dass er es besser gefunden hätte, wenn ein offizieller Prozess gegen Homosexuelle mit anschließendem Hängen stattgefunden hätte. Diesen selbstgefällig lächelnden Journalisten hält man kaum aus und wir konnten nur entsetzt halbwegs die Todesangst verstehen, die homosexuelle Menschen in Uganda ertragen müssen. Und trotzdem hatte die Dokumentation eine lebensbejahende Leichtigkeit, bewundernswert, wie hier der Sinn des Lebens eingefangen wurde. Das im Film benannte "A luta continua" kann die Berlinale mit dem Zeigen dieses Films nur unterstützen!

Unseren nächsten Film The Reluctant Revolutionary sollten wir vielleicht auch aus diesem Blickwinkel betrachten, obwohl wir den Auftritt des Dokumentarfilmers Sean McAllister nicht besonders sympathisch fanden: er wunderte sich, dass sich auch beim dritten Screening so viele Zuschauer im Kino einfanden. Aber wir waren doch neugierig auf einen Bericht aus dem Jemen, einem fernen Land, dass wir nur von den Erzählungen einer befreundeten Entwicklungshelferin kannten und deren Verkleidungskünste wir damals schon leicht irritiert betrachteten. Die Geschichte: da in Syrien in Sachen Revolution nicht so viel zu holen war, geht unser Dokumentarfilmer in den Jemen. Dort heuert er einen Fremdenführer an, der wegen der Unsicherheiten im Land am Rande des Ruins steht. Doch eigentlich interessiert sich der Fremdenführer nicht für Politik, er will Touris rumkutschieren und Kath kauen. Seine Frau, die in der unteren Etage seines Hauses wohnt, soll währenddessen seine Kinder bekommen und aufziehen. Und so männerlastig geht der Film auch weiter. McAllister und sein Fremdenführer fahren durchs Land, besuchen die Demonstrationen in Sanaa und kauen mit den Demonstranten backenfüllendes Kath. Alles wirkt unsortiert, die Zelte der Demonstranten und die Ärzte, die die Verwundeten pflegen und der Kamera die Toten zeigen. Und wir können nicht unterscheiden, ob diese Planlosigkeit im Jemen immer so war oder nur heute so ist. Auf die Nachfrage beim Q & A, warum uns nicht mehr Kontext gegeben wird, hieß es, wir sollten dazu doch im Internet nachschauen. Stattdessen wurde uns von McAllister erklärt, dass Kath eine ähnliche Wirkung wie Marihuana hätte und unser Dokumentarfilmer gegen den schlechten Geschmack mit Wodka nachgespülte. Von Freunden wurden wir nach unserer massiven Kritik an dem Film belehrt, dass die offizielle Politik im Jemen immer behauptet hätte, sie hätten nie auf Demonstranten geschossen und das der Film genau hier das Gegenteil beweisen würde. Auch das eine Revolution wohl eher ziellos zielsuchend vor sich ginge, wie der Film zeige, sei normal, da der Übergang in ein neues funktionierendes System erst ausgehandelt werden müsse. Und dass die durch diese unruhige Zeit stiefelten zwei Männer doch ganz schön mutig gewesen seien, um diese Aufnahmen zu machen. Trotzdem fühlten wir uns als weiblich definierte Wesen mit diesem Film so gar nicht gemeint.

Da strich dann unser vierter Film Highway etwas Balsam auf unsere Fehlstellen, die Geschlechterhierarchien scheinen in Nepal nicht so starr zu sein und Frauen dürfen allein und selbstverständlich neben Männern im Bus fahren. Die nepalesischen Zeitungen sind voll begeisterter Berichte darüber, dass es zu ersten Mal ein Film aus ihrem Land und über ihr Land auf die Berlinale geschafft hat. Das wissen wir, weil wir über drei Ecken eine in Nepal wohnnende Frau irgendwie kennen, die in diesem Film sogar eine kleine Rolle spielt. Obwohl dieser Spielfilm inhaltlich freundlicher daherkommt, gibt es auch hier zwei Tote, die auf das Konto der Macht in Person eines unantastbaren Polizisten gehen. Als Roadmovie konzipiert, versuchen eine Busladung voll Menschen auf einer sich tagelang hinziehenden Fahrt, in die Hauptstadt Kathmandu zu gelangen. Um an den immer wieder stattfindenden Straßenblockaden, genannt "Bandh", vorbei zu kommen, tarnen sie sich als Hochzeitsbus. Denn ein Bus, in dem ein Hochzeitspaar mit ihrer Hochzeitsgesellschaft sitzt und eine Blaskapelle aufspielt, wird an der Weiterfahrt nicht gehindert. In Einblendungen bekommen wir die Gründe für die Eile mitgeteilt, welche die einzelnen Fahrgäste dazu bewegt, sich auf das Spielen einer Hochzeitsgesellschaft einzulassen. Diese auf den Einzelnen heruntergebrochenen menschlichen Gefühle wirken gar nicht so weit weg. Wir gehen aus dem Film und sind ganz verblüfft über die nahe Ferne dieser Menschen und wünschen ihnen, dass sie einen Weg aus ihren Verstrickungen und Traurigkeiten finden. Was uns besonders gut an der Umsetzung des Films gefiel: die Dialoge wurden völlig den Schauspielern überlassen und das hat wunderbar funktioniert. Und dann war da noch Danny Glover im Abspann als Koproduzent benannt.

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