Sonntag, 8. Februar 2015

Samstag: Arbeitsbedingungen in Chile und auf den Azoren, Flüchtlinge in Israel

Berlinale with Snow by Lilly Flowers
Saisonarbeiten auf Obstplantagen sind bei der hohen Arbeitslosigkeit im Norden Chiles weit verbreitet und auch gefürchtet. Eine hohe Zahl an Überfällen, Schlägereien und Vergewaltigungen lässt die meisten Beschäftigten ein Messer oder eine Pistole mit sich tragen. Dazu kommt illegale Pestizdbenutzung durch die Plantagenbesitzer, die die Arbeitenden nicht nur krank macht, sondern auch tödlich enden kann. So erklärte uns Regisseur Sergio Castro San Martin den Ausgangspunkt seines Films "La mujer de barro" (The Mud Woman). Zusammen mit seiner großartigen Hauptdarstellerin Catalina Saavedra entwickelte er das Drehbuch, dass immer nahe an seiner Protagonistin Maria bleibt - wie auch die Kameraeinstellung während des ganzen Films. Manchmal sehen wir die große weite und karge chilenische Bergwelt in seiner nördlichen Grenze zu Argentinien. Doch meist gehen wir mit Maria durch ihr ärmliches Leben. Sie ist ledige Mutter einer zehnjährigen Tochter, Teresa, die ein besseres Leben haben soll. Deshalb spart die Mutter für ihre Schule und verdingt sich nun nach der Geburt zum ersten Mal wieder als Saisonarbeiterin bei ihrer früheren Arbeitsstelle. Mit anderen Frauen wird sie in den ArbeiterInnenhütten untergebracht, macht ihren Job und bleibt sprachlos. Doch langsam befreundet sich die quirrlige Violeta mit ihr und unterstützt sie, wenigstens etwas am sozialen Leben der Gruppe teilzunehmen. Ohne nötigenden Soundtrack und vor Ort mit wenigen SchauspielerInnen zwischen den ArbeiterInnen der Plantagen gedreht, will der Regisseur absichtlich einige Fragen an den Film offen lassen. Wir verstehen, die Geschichte steht für viele unterschiedliche Lebenswege der dort beschäftigten Frauen.
   Thematisch schließt sich hier der dritte Film unseres heutigen Tages an, nur dreht sich dieser ausschließlich um Männer. Fast ausschließlich, da auch kurz Frauen zu sehen sind, die die Kinder der Männer großziehen und, so scheint es immer wieder durch, auch für viele ein wichtiger Teil ihres Lebens sind. Doch dieser Fischfang auf den Azoren, den die Dokumentation "Rabo de Peixe" (Fish Tail) von den verheirateten Joaquim Pinto und Nuno Leonel einfängt, ist eine Männerwelt. Fischer zu sein ist eine familiäre Tradition und ein Freiheitsgefühl. So erscheint es fast als vorkapitalistischer Arbeitsplatz, der sich gegen die schwimmenden Fischfabriken behaupten will. Als Joaquim Pinto Mitte der 90er Jahre an HIV erkrankte, zog er sich ein paar Jahre später zur Erholung mit Nuno Leonel nach Rabo de Peixe, einer kleinen Gemeinde auf der Azoreninsel Sao Miguel zurück. Doch als weltweit gefragter Toningenieur und Filmemacher aus Leidenschaft, konnte er das Aufnehmen nicht lassen und filmte das Leben der Freunde, die er dort bei den Fischern fand und die zu besten Freunden wurden. Einer dieser Freunde und Hauptprotagonist der Doku, Pedro, war mit seiner Frau beim Screening anwesend und erzählte von den Anpassungen an die neuesten Herausforderungen der Fischereiverordnungen und dem technischen Fortschritt auch auf den kleinen Booten. Doch auch heute noch ist ihm sein Beruf deshalb wichtig, um seine Freiheit zu behalten, denn im Gegensatz dazu, gehört das landwirtschaftliche Anbaugebiet auf den Azoren hauptsächlich Großgrundbesitzern. Und diese Geschichte des Lebens der kleinen Fischer auf dieser windumtobten Atlantikinsel erzählt der Film. Mit zwei anderen Filmen war Joaquim Pinto bereits vor Jahren auf der Berlinale vertreten, mit "Uma pedra no bolso" (Der Morgen des Misstrauens, 1988) und "Onde bate o sol" (Unter stechender Sonne, 1989).
   "Hotline", wie der Film, nennt sich eine israelische NGO in Tel Aviv, die ins Land gekommene Flüchtlinge und MigrantInnen unterstützt. Regisseurin Silvina Landsmann begleitete die Arbeit der Frauen und Männer dieser Menschenrechtsorganisation für ca. ein halbes Jahr in ihren bedrohlichen, wie politisch fast unmöglichen Auseinandersetzungen um die Sicherheit, Anerkennung und Aufnahme von den meist aus Afrika (oft Sudan, Eritrea) über Ägypten einreisenden Flüchtlingen in Israel. Die Dokumentation startet mit einer immens aggressiven Diskussion, in der Israelis die gefühlte Bedrohung durch ihnen unbekannte Menschen lautstark gegen die Menschenrechtsaktivistin von Hotline vorbringen. Wir haben um die Gesundheit der Frau gefürchtet und warteten jeden Moment darauf, dass sie eine Faust ins Gesicht bekommt. Doch diese körperliche Grenze wurde glücklicherweise nicht überschritten. Jedoch ihre Versuche, die Ängste der Menschen zu verstehen, die argumentierten, dass die in ihrem Stadtteil wohnenden Flüchtlinge sie bedrohen, bestehlen und körperlich angreifen könnten und sie sich schon bevor womöglich etwas passiert, aus ihrer Wohnumgebung verdrängt fühlen, über diese Vorurteile konnte sie nicht diskutieren, da nur auf sie eingebrüllt wurde. Dieser doch bestürzenden Situation folgten Aufnahmen der etwas ruhigeren, jedoch für den einzelnen Flüchtling lebensnotwendigen Arbeit, in der Beratungsstelle. Die offiziell als "Infiltrators" bezeichneten Flüchtlinge werden in Gefängnisse nahe der ägytischen Grenze gesteckt, dort besuchen sie die AktivistInnen per Bus, um ihnen Unterstützung und Informationen zu bringen - wenn das Gesetz es gerade zulässt. Auch Menschenrechtsanwälte unterstützen Hotline im Kampf um Aufenthaltsmöglichkeiten, welche jedoch kaum erfolgen. Die NGO ist auf private Spenden angewiesen, da der Staat diesen "InfiltriererInnen" in keiner Weise positiv entgegenkommt. Die Staatsapparate würden die Asylsuchenden am liebsten ignorieren, können es aber nicht wirklich, da immer wieder Menschen auf Hilfe hoffend über die Grenze nach Israel kommen. Israel bietet eine gute Unterstützung bei Opfern von Menschenhandel, ein illegaler Grenzübertritt wird aber als Verbrechen geahndet.

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