Dienstag, 5. Januar 2021

Wieviel Wände hat ein Kinosaal?



 

Ja, statt des üblichen Hinweises, dass wir bald in unseren Berlinale-Urlaub starten und uns höllisch darauf freuen, wünschen wir euch hier ein gesundes neues Jahr und das Glück in den eigenen vier Wänden. 

Die eigenen vier Wände, da fehlt manchen doch die fünfte Wand, die Kinoleinwand. Dass so ein krudes nicht-Lebewesen wie ein Virus uns daran hindern könnte, gemeinsam spannende Filme anzustaunen, uns zu verzücken, lachen und weinen zu lassen, hätte sich keine Cineastin in den krudesten Zombiträumen ausmalen können. Auch Schauerträume haben ihre Grenzen - oder auch nicht. 

Hier ein Link zu einem kleinen youtube-Filmchen mit Musik und einer feinen Beschreibung der eigenen vier Wände. Dank an Herrn Reiser für seinen aufmerksamen Text und Herrn Dresen für das zur Corona-Zeit passende Spielen und Singen und beiden für den Hinweis auf die Schönheit und die Möglichkeiten innerhalb der eigenen vier Wände. Denn auch heute haben noch nicht alle, die es sich wünschen, ein Zimmer für sich allein.

Das lässt uns aber nicht vergessen, weshalb wir euch in und um das Kino herum vermissen. Doch vielleicht hilft uns so eine Zeit auch, zu erkennen, wie wichtig der Austausch um die Inhalte von Filmen ist. Film, ob Dokumentarfilm oder Spielfilm, ist immer mehr als Unterhaltung. Es ist immer auch die Diskussion unserer Lebensweise. Ob im weltweiten Web, in fest gemauerten Kinosälen oder mobilen Kinos. Denn, wie Alexander Kluge es formuliert: "Der Film muss sich auf die Socken machen, er muss dorthin, wo die Menschen sind."



In diesem Sinn, lasst uns dort zusammen finden, wo die Filme auf die Menschen treffen. Und wenn der Kapitalismus uns in naher Zukunft nicht mehr aufzwingt, alles monetär zu betrachten, muss kein Filmschaffender und keine Filmliebhaberin mehr Angst haben, das einzige Leben nicht mehr Leben zu können, weil das Tauschpapier dazu nicht ausreicht.
Bis dahin überlegt mal, ob nicht etwas an dem Satz von Dostojewski dran ist, der in den "Dämonen" sagen lässt, dass der Mensch unglücklich sei, weil er nicht wisse, dass er glücklich sei. Wir fragen uns, was wäre, wenn wir glücklich wären? Wäre das nicht schön...

Also, bleibt gesund, schützt einander, lächelt euch unter der Maske zu und
hört immer wieder mal TonSteineScherben:
"Land in Sicht!"

Samstag, 2. Mai 2020

unsane ... Inhalt statt i-phone

   Was uns an Steven Soderbergh eher stört sind die fortlaufenden Ozean-Filme, obwohl, damals, den ersten mochen wir. Bei Unsane ist es eher die Einsparung der menschlichen Arbeitskraft, die wir kritisieren möchten. Denn was haben Ford und Taylor erforscht und Marx bemängelt? Das der Profit aus dem Menschen herausgepresst wird und nicht aus der Technik...und wer bezahlt die Steuern und die Sozialversicherungen? Die Technik? Oder die Manager, die über den Bemessungsgrenzen liegen? OK, wieder zurück zum Film. Warum wurde der Film in den Medien, die wir um uns hörten, sahen und lasen, so schlecht besprochen? Weil die Besprechung von Männern kam? Und die eine Frau, die wir hörten, von ihrem Moderator nicht auf den Inhalt sondern auf die Aufnahmetechnik angesprochen wurde? Doch letzteres haben wir ja oben schon abgehakt.
 
Also zu zweiterem, dem Inhalt. Der Inhalt, der auch eher abwertend als Improvisation abgetan wurde, wirkte vielleicht für uns genau deshalb so echt, weil nicht alles von denen durchdacht war, die es nicht spielen mussten. Es durften die Personen ihre Gefühle selbst dazu rauslassen und mussten nicht auf den Zentimeter genau zuerst dem Drehbuch und dann dem Regisseur gehorchen.
   Eine Frau in Angst vor einem Mann, der ihr im Namen der Liebe zuerst nachstellt, sie dann bedroht und sogar eine polizeiliche Verfügung bekommt. Doch das Leben ist anders und die Frau weiß das auch. Frauen haben Angst davor, dass Männer sie töten, weil sie ihrem männlichen Machtanspruch, der absurderweise hinter dem Begriff Liebe versteckt wird, nicht nachgeben. Deshalb flieht die junge Frau aus der Stadt, in der sie zuhause war und sucht sich einen Job und eine Wohnung, allein in einer fremden Stadt. Der neue Chef ist wie alle Chefs, herablassend und will für seine Mackerwitze und anzüglichen Bemerkungen ein Lachen von der jungen Frau hören, eine Selbstbestätigung seiner Macht als Mann und Chef - denn das gehört zusammen. Wenn man an Weinstein und Wedel denkt und diese Inszenierung sieht, könnte man fast denken, der Mann meint wirklich, dass er so umwerfend ist. Und das ist dann tatsächlich eine Verschiebung der Wirklichkeit, die der Mann sich leisten kann und ihm egal ist, dass die Frau so tut muss, um ihren Job zu behalten.
   Bei Unsane geht dies weiter, wird klarer und findet dazu schließlich in einer psychiatrischen Anstalt ihren Höhepunkt, in der die Menschen den absoluten Zwang erfahren. Auch Sawyer, die ihrer Mutter nie von ihrem Stalker erzählt hat, aus der Angst heraus, dass diese ihr, der nicht mehr so jungen Frau erzählen würde, sie solle doch den netten Mann nicht ablehnen und froh sein, doch noch einen abzubekommen, die muss dann einsehen, dass die Mutter die Einzige ist, die sie in ihrem angstbesetzen Leben noch als Vertraute hat. Ein starker Thriller, der uns jetzt, nach zwei Jahren, immer noch nicht aus dem Kopf gegangen ist. Von Soderbergh als Kritik an der Pharmaindustrie gedacht, spricht er Ängste über ausgeliefert sein bis nicht verstanden werden - das Sender-Emnpfänger-Problem - an, die in jeder und jedem schlummern und dennoch als Unterdrückungsform geschlechtsspezifisch auftreten. Krass klar zeigt er dabei, wie eindeutig der Mensch seine Macht (Geld, vorauseilenden Gehorsam und Gewalt) durch die gesellschaftliche produzierte Vorstellung von Geschlecht zur Erniedrigung und Unterdrückung der weniger Mächtigen nutzt. Heute würde frau sagen, dahinter scheint schon die darauf folgende Weinstein-Anklage und metoo-Debatte hervor.

Mittwoch, 8. Februar 2017

Berlinale 2017 - ab Morgen ist es soweit: raus aus der Kälte, rein in die Dunkelheit

   So schnell vergeht die Zeit. Doch die letzten Einkäufe sind erledigt, die Wäsche ist gewaschen und beides sollte bis zum 19.2.2017 reichen. Auch ein bisschen Körperspeck ist schon angesetzt, um die Zeit
Lilly Flowers CC-BY-SA 2.0
ohne Zeit für den Alltag, zu genießen. Wobei, genießen. Wir wissen ja, dass die Berlinale unsere Gefühlswelt sehr in Anspruch nehmen wird, wir sind ja schließlich nicht beim Comedy-Festival. 

   Etwas Angst haben wir deshalb schon davor, uns die nächsten 10 Tage, wenn auch nur auf der Leinwand, den ernsten Themen des Lebens weltweit zu widmen. Rühren werden uns die Filme mit optimistischem Blick in die Zukunft und wir werden gestärkt aus dem Kino gehen. Doch es gibt auch jene, denen zu den Greueltaten und Gehässigkeiten des wiederkehrenden Rades menschlichen Verhaltens letztendlich nur der Ausweg einfällt, einen Film darüber zu machen. Doch einseitige Sichtweisen sind nicht das Motto der Berlinale und wir sind uns sicher, Erkenntnisgewinne mit nach Hause nehmen zu können. Womit wir auf die Erweiterung der Freiheit aller hoffen und gespannt sind, ob wir - und nicht nur wir - nach dem Film über den jungen Marx die Einführung des weltweiten bedingungslosen Grundeinkommens gegenüber Skeptiker_innen und Sklavenhalter_innen besser verteidigen können. 

Donnerstag, 2. Februar 2017

Ja, vorher noch schnell ins Kino zu ... Hidden Figures

   Ja, am Film kritisieren lässt sich, dass der damals wieder erblühende Kapitalismus nicht kritisiert wird. Auch dass diese drei afroamerikanischen Ingenieurinnen glücklich in der schwarzen bürgerlichen Mittelschicht sind, wird nicht bemängelt. Wie auch die rein heterosexuelle Orientierung aller Beteiligten und auch der hochgehaltene Patriotismus während des Kalten Krieges als gegeben gesetzt wird. 
  
Uhura küsst Kirk
...das kam später
Doch darf ein Film in der Zeit, in der die Berlinale ihren politischen Anspruch hochhält und trotzdem auch dort eine gläserne Decke gegen weibliche Filmschaffende existiert, nicht auch mal nur drei afroamerikanische Frauen zeigen, die es in einer Zeit der Rassendiskriminierung schaffen, in männlichen Berufen zu den ganz Großen zu zählen? (Und ja, auch die Schlechterstellung in Posten und Bezahlung wird thematisiert.)

   Die Black Panther kommen auch nicht vor, doch Martin Luther King spielt durchaus als politisch wichtige Figur eine kleine Rolle zur Erklärung des Zustands der US-Gesellschaft für afroamerikanische Kinder. Mit FSK 0 Jahren versehen, ist es durchaus auch ein empfehlenswerter Familienfilm. Und für zwei Stunden Laufzeit auch ein leichter Film mit schwerem Inhalt, bei der Berlinale gibt es dann bestimmt auch wieder welche, die es andersrum halten.
   Glücklicherweise ist dieser Film nun auch für die Oscars nominiert, wobei der filmintellektuelle Mensch diesen goldigen Männchen ja nicht zuviel Gewicht geben möchte und diese Filme deshalb nur auf der Ebene der Symbolik neugierig betrachtet... Von dem mit 14 Oscars nominierten LaLaLand spricht mensch ja schon, wir vermeiden hier eine Kritik anhand obiger Merkmale und hoffen für Hidden Figures. 
   Übrigens, der Film zeigt auch Humor. Und er ist ein Lob auf die Freundschaft, gespielt von drei faszinierend dabei zu betrachtenden Schauspielerinnen.

Freitag, 27. Januar 2017

Things To Come - Die Berlinale 2017 naht

   Dem Science Fiction, einem Genre, dass sich ja leider nicht so oft in die Berlinale verirrt, nimmt sich dieses Jahr die Retrospektive an. Tja, das bedeutet, die Sektion, die auf der Berlinale in die Vergangenheit blickt, nimmt sich deren Zukunftsvorstellungen an. Das kann ja ganz witzig werden,
creative comon licence by Lilly Flowers
doch wir sollten die damaligen technischen und handwerklichen Möglichkeiten nicht mit den bandscheibenschädigenden Computereffektbauten von heute vergleichen. Da der Schwerpunkt wohl auf den dünsteren Zukunftsvorstellungen früherer FilmemacherInnen liegt, kommt ein als Brille eingesetzter Haarring dann auch nicht in Frage.
   Welche vorher und nachher tiefer in die menschlichen Zukunftsvorstellungen eintauchen möchte, kann sich in die Ausstellung "Things To Come" der Deutschen Kinematek, direkt über dem Kino Arsenal, begeben. Mit "District 9" und der Serie "Real Humans" ist sie dabei - trotz Zukunftsvision - bei der Menschheit der Gegenwart. Vielleicht strandet demnächst ein Raumschiff, weil der Treibstoff oder die Nahrung ausgegangen ist? "Fremdeln" wir dann noch mehr, wie bei den Menschen, die schon mit uns zusammen auf der Erde wohnen? Hätten wir mit unseren eingeschränkten Wahrnehmungsmöglichkeiten überhaupt die Fähigkeit, die von uns auch als "Aliens" benannten Lebewesen zu erkennen? Geschweige denn, in kommunikativen Austausch zu treten - wo das doch schon mit der eigenen Familie schwierig ist. "Real Humans" hat fast etwas von "The Walking Dead" und stellt die Frage nach der berühmten Menschlichkeit der Menschen.
   Wir hoffen doch sehr, dass die Berlinale in Zukunft auch ein Augenmerk auf die Zukunft hat und es mehr entsprechende Filme in die verschiedenen Sektionen schaffen. Wir vertrauen dann auch auf die gewohnt gute Filmauswahl, die sich auch immer der Kritik an der Politik des Heute und Gestern annimmt...für die kürzere Berlinale-Zukunft, bis das Programm 2017 erscheint, lässt sich schon mal in den Pressemitteilungen schmökern...

Freitag, 6. Januar 2017

"National Bird" - Berlinale-Doku am 11.1.17 in der AdK

   Dieser "Nationale Vogel" in seiner verspielten Form war bei kleinen und großen Jungs ein beliebtes batteriebetriebenes Weihnachtsgeschenk für 2016.
   Von Sonja Kennebeck wurde dieser "National Bird" in seiner monströsen Art in einem äußerst sehenswerten Dokumentarfilm bereits auf der 66. Berlinale vorgestellt.

CC BY-SA 3.0 Lilly Flowers
  
Sonia Kennebeck, investigative Journalistin und bekannt durch die ARD-Doku „Sex - Made in Germany“ über Prostitution in Deutschland, stellte mit „National Bird“ ihren ersten abendfüllenden Dokumentarfilm vor.
   Sie gibt darin Einblicke in das U.S.-Drohnenprogramm, gesehen mit den Augen von SoldatInnen und Überlebenden und stellt die Frage, ob Gewalt und Gegengewalt sich bedingen müssen.
   Zwei Jahre arbeitete sie, zusammen ihrer Produzentin, im Stillen, um bei ihren Recherchen nicht behindert zu werden. Namhafte Unterstützung fanden sie dabei zu ihrem Schutz in Wim Wenders und Errol Morris. Ihr Augenmerk gilt bewusst auch den beteiligten Frauen, deren Ansichten sie gelegentlich als Beitrag zum gesellschafts-politischen Gesamtbild einforderte.

Warum wir darauf hinweisen? ... weil uns Frau Kennebeck im Interview nach der Filmvorführung 2016 zusätzlich zu ihrer Doku sehr beeindruckt hat und wir uns wünschen, diese würde viel Publikum finden.
Am Mittwoch, den 11. Januar 2017, 19 Uhr, zeigt die Akademie der Künste den Film, gefolgt von einem Gespräch mit der Filmemacherin, Wim Wenders, u.a.






Sonntag, 14. Februar 2016

Mäntel, Zigaretten und kaum Kondome

   Freitagabend saßen wir mal wieder im Kino. Da bereits viele CineastInnen sich im hinteren Teil des Saals verteilt hatten, mussten wir uns einen Platz am Anfang des ersten Drittels suchen. Kinositze sind ja so etwas wie Nah- und Fernverkehrssitze. Mensch darf freundlich, doch bestimmt, nachfragen, ob der Platz noch frei ist, der mit Koffern, Taschen und Mänteln belegt ist. So nahmen wir den Taschenplatz eines schon etwas angegrauten Päarchens ein, die uns dann zuflüsterten, dass sie ihre Mäntel in der ersten Reihe geparkt hatten. Da immer mehr Menschen kamen und bereits ein paar in der ersten Reihe saßen, wurden ihre Hälse immer länger. Und sie wurden immer nervöser. Dann schickte die Frau den Mann los, und er versprach, und machte auf uns dabei den Eindruck von Napoleon kurz vor dem Gang aufs Schlachtfeld, sich eine kreative Lösung einfallen zu lassen. Unsere Mäntel lagen wie kuschlige Decken über unseren Knien, wir waren etwas irritiert über ihre Mantelinszenierung. Deshalb bekamen wir jetzt lange Hälse, um einen Blick auf diese besonderen Überzieher zu erhaschen. Er legte sie gerade auf das schwarze Regal neben der Leinwald, als wir sie erkennen konnten. Außen gegerbtes Leder und ihnen dickes Fell, hätten diese Tierreste bestimmt ganz schön auf die Beine gedrückt. Was uns dann tatsächlich erstaunte, war, dass sie es ertrugen, dass ihre kostbaren Mäntel kurze Zeit später neben dem Mischpult der Kinoansagerin ihre Schlussposition für diese Filmvorführung erhielten.
   Der Film, der dieser Mantelgeschichte folgte, Posto avancado do progresso, ist die Auseinandersetzung des Regisseurs Hugo Vieira da Silva und seiner SchauspielerInnen aus Portugal und Angola mit ihrer kolonialen Vergangenheit. In eine fortlaufende Erzählstruktur eingebaut und dennoch assoziativ gefüllt, ist dieser Film mit seinen zwei Stunden Länge keineswegs langatmig. In diesen zwei Stunden wird viel geraucht und viel getrunken. Wir sahen auch viele weitere Filme, in denen erstaunlich exzessiv geraucht wurde. Ob deshalb so viele Filme wieder im letzten Jahrtausend spielen, denn da gab es keine Coolness (ein erstaunlich wichtiges Filmdetail) ohne Zigarette. 
   Doch wo kommt sie heute her, die Coolness? Da hätten wir einen Filmtipp dazu Junction 48, wobei, auch da wird geraucht, aber anders ... aber der Hinweis auf diesen tollen Film muss sein, zusätzlich besonders zu empfehlen für HipHopFans. 
   Jetzt fehlen uns noch die Kondome. Die fehlten uns aber auch in den Filmen mit Koitus, egal welcher Geschlechtlichkeiten. HIV war zwar manchmal ein Thema, doch vielleicht haben wir einen medizinischen Fortschritt verpasst und Kondome haben damit nichts mehr zu tun. Gibts denn nicht noch weitere Gründe für die Gummis? In einem Film, Baden Baden, in dem uns das Frauenbild gar nicht gefiel, gefiel uns jedoch, dass hier mal ein Mann ansprach, dass er doch eins übergezogen hatte. Der andere Coole hatte nicht und deshalb war sie schwanger...doch davon hat er nie erfahren, was ja auch die logische Konsequenz daraus ist.